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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines Leitfahrzyklus für Fahrversuche zur Ermittlung von Abgasemissionen von Kraftfahrzeugen.
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Motoren werden heute mit hohem Aufwand für diverse Märkte in vielzähligen Antriebs-Fahrzeug-Kombinationen entwickelt. Zukünftig sinkende Emissionsgrenzwerte bei zunehmender Variabilität von Betriebssituationen in der Emissionszertifizierung lassen auf komplexe und aufwandsintensive Antriebsentwicklungen blicken. Für ottomotorisch angetriebene Fahrzeuge wird in Europa 2017 der Emissionsgrenzwert für die Partikelanzahl auf eine Größenordnung von 6·1011/km herabgesetzt (Euro 6c, Euro 6d TEMP). Gleichzeitig wird für China die erstmalige Einführung eines solchen Grenzwerts erwartet (China 6, Beijing 6). Neben der Angleichung lokaler Zertifizierungsverfahren durch Einführung von WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) wird es eine Nachweispflicht zur Emissionsgrenzwerteinhaltung im realen Fahrbetrieb geben. Die Überprüfung dieser „Real Driving Emissions“ (RDE) geschieht auf der Straße in realen Fahrsituationen mit entsprechender Variabilität.
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Dies erfordert die Entwicklung von in allen Fahrsituationen sauberen Motoren. Dieser Einfluss ist weitgehend und sollte bei der Motorkonzeption und der Definition und Applikation von Technologiepaketen bereits berücksichtigt werden. Er betrifft primär die Einspritztechnologie, die Ventiltriebauslegung, die Turboladerauswahl, abgaskühlende Maßnahmen wie die Abgaskrümmerintegration in den Zylinderkopf und den Entwicklungsvorhalt für einen Otto-Partikel-Filter (Gasoline Particle Filter GPF). Die Bewertung dieser Technologien im Kontext realer Fahrsituationen in diversen Antriebs-Fahrzeug-Kombinationen erfordert intelligente Emissionsentwicklungswerkzeuge.
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Fahrzeughersteller und -entwickler nutzen heute zur Emissionsquantifizierung unter realen Fahrbedingungen primär sogenannte RDE-Zyklen. Diese RDE-Zyklen orientieren sich an realen Fahrsituationen/-szenarien und dürfen sogar häufig als repräsentativ eingestuft werden. Die Fahrzyklen legen fest, unter welchen Randbedingungen, wie zum Beispiel Umgebungstemperatur und Umgebungsluftdruck (Höhe über Normalhöhennull), und mit welchem Geschwindigkeitsprofil ein Fahrzeug bei der Ermittlung von Emissionen betrieben wird bzw. der Fahrbetrieb simuliert wird. Sie bieten allerdings nicht die Sicherheit für jede Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination den im realen Fahrbetrieb auftretenden „Maximal“-Emissionsfall abzubilden. Ihre Nutzung ist daher sinnvoll aber eben nicht ausreichend im Sinne einer zielstrebigen und schlanken emissionsbasierten Motorentwicklung.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren zur Identifizierung eines Leitfahrzyklus bereitzustellen, wobei der Leitfahrzyklus möglichst den „Maximal“-Emissionsfall innerhalb gegebener Randbedingungen widerspiegelt.
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Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Ermittlung eines Leitfahrzyklus für Fahrversuche zur Ermittlung von Abgasemissionen von Kraftfahrzeugen, mit den folgenden Schritten:
- – Parametrisieren einer vorbestimmten Anzahl verschiedener Fahrzyklen durch Vorgabe verschiedener Parametersätze,
- – Ableiten von Geschwindigkeitsprofilen für die verschiedenen Fahrzyklen auf Basis der Parametersätze,
- – Simulieren von Fahrversuchen unter Verwendung der verschiedenen Fahrzyklen,
- – Ermitteln simulierter Abgasemissionen während der simulierten Fahrversuche gemäß den verschiedenen Fahrzyklen anhand eines Abgasemissionsmodells einer vorbestimmten Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination,
- – Ermitteln von Abgasemissionsergebnissen von nicht vorgegebenen Parametersätzen durch statistische Auswertung der simulierten Abgasemissionsergebnisse,
- – Auswählen desjenigen Parametersatzes als Leitfahrzyklus aus allen Parametersätzen, bei dem die Abgasemissionen am höchsten sind.
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Das Verfahren ermöglicht für jede beliebige Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination eine Identifikation eines Leitfahrzyklus, der einen „Maximal“-Emissionsfall widerspiegelt.
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Hierbei können mehrere einzelne Emissionswerte oder ein bestimmter Emissionswert, wie z.B. die Partikelanzahl, herangezogen werden. Diese Methodik greift früh im Antriebsstrangauslegungsprozess ein und bietet so eine neue Entscheidungssicherheit durch entwicklungsbegleitende Quantifizierung von Fahrzeugemissionen unter realen Fahrbedingungen. Das heute übliche Vorgehen, Auslegungsentscheidungen auf Basis quantifizierter Fahrzeugkraftstoffverbräuche (CO2) zu treffen, kann nun erweitert werden. Auch die maximal, real auftretenden Schadstoffemissionen wie die Partikelanzahl (Paritculate Number, PN) sind nun früher bekannt. Die zentralen Komponenten des Verfahrens sind: Emissionsmodellierung in einem Abgasemissionsmodell, Parametrische Beschreibung des Fahrerverhaltens und der Fahrstrecke mittels Parametersätzen für verschiedene Fahrzyklen, Identifikation des Fahrzeug-Antriebsstrang-spezifischen Leitfahrzyklus („RDE-Worst-Case-Leit-Zyklus“) mit den entsprechenden Randbedingungen für Umgebungstemperatur, Umgebungsdruck etc.
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Mithilfe des Leitfahrzyklus können Fahrversuche mit neuen bzw. abgewandelten Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen simuliert werden, um die Abgasemissionen dieser abgewandelten Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination zu ermitteln. Aus diesen Abgasemissionen können Änderungen der ECU-Applikation definiert werden und Veränderungsbedarf für Antriebsstranghardware bzw. für die Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination abgeleitet werden.
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Zur Durchführung des Verfahrens muss für eine bestimmte Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination, die einem bestimmten existierenden Fahrzeugtyp entsprechen kann, ein Abgasemissionsmodell bereitgestellt werden. Abgasemissionsmodelle können auf Schadstoffemissionskennfeldern basieren oder physikalisch aufgebaut sein. Dieser kennfeldbasierte Ansatz ist von der CO2-Emissionsmodellierung bereits bekannt. Zur Übertragung des Ansatzes von der CO2-Emissionsmodellierung auf komplexere Abgasemissionsmodelle werden Rohemissionsmodelle und Abgasnachbehandlungsmodelle implementiert. Diese Modelle kombinieren physikalische und chemische Berechnungen mit statistisch validierten Korrelationen. Die Schadstoffemissionskennfelder sind Kennfelder, die die Schadstoffemissionen wie Partikelanzahl (PN), Partikelmasse (PM), Kohlenwasserstoffe (HC), Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx) als Funktion der Motorlast und Motordrehzahl für eine Grundvermessung zeigen (z. B. Betriebsmittel 90 °C, Grundapplikation, o. ä.). Sie stammen aus ersten Kennfeldmessungen des unter Entwicklung befindlichen Motors, von vorhandenen Messungen des Vorgängeraggregats oder werden synthetisch abgeleitet aus Entwicklungsdatenbanken wie sie bei Fahrzeugherstellern und -entwickler in der Regel vorhanden sind. Die Rohemissionsmodelle übertragen die Schadstoffemissionskennfeldwerter, die nur für die beschränkten Randbedingungen der Grundvermessung Gültigkeit haben, in einen breiten Gültigkeitsbereich indem sie wesentliche Einflussparameter auf die Schadstoffemission abbilden. Die Rohemissionsmodelle bilden u. a. folgende Effekte ab: Einfluss des Verbrennungsluftverhältnisses, Einfluss der Motorbetriebstemperatur, Einfluss des Zündzeitpunktes und Verschiebung des Emissionsverhaltens durch Transientverhalten. Weiterhin wird ein Abgastemperaturmodell implementiert, dessen Berechnungsergebnisse neben den Rohemissionsinformationen als Eingabeinformation für die Abgasnachbehandlungsmodelle dienen, z.B. für Modelle der Emissionsminderung im Dreiwegekatalysator und Modelle der Partikelfiltrierung im Otto-Partikel-Filter.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird eine begrenzte Anzahl von verschiedenen Fahrzyklen durch verschiedene Parametersätze parametrisiert und definiert. Fahrzyklen definieren Randbedingungen wie zum Beispiel Umgebungstemperatur, Umgebungsluftdruck (Höhe über Normalhöhennull), Luftfeuchtigkeit, Wind, Starttemperatur des Motors, Gesamtfahrzeuggewicht, Reifenauswahl und -druck, etc. Ein Fahrzyklus gibt zudem ein Geschwindigkeitsprofil (Geschwindigkeitsverlauf über der Zeit) vor oder Parameter, aus denen ein Geschwindigkeitsprofil abgeleitet werden kann. Bei bisherigen Fahrzyklen, die nicht auf der RDE-Gesetzgebung basieren, wurden feste Geschwindigkeitsprofile vorgegeben, wie zum Beispiel bei den Fahrzyklen NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) oder dem FTP 75 (Federal Test Procedure 75). Bei RDE-Fahrzyklen werden hingegen keine festen Geschwindigkeitsprofile vorgegeben, sondern Parameter, wie zum Beispiel Gesamtdauer des Fahrzyklus, Stillstandsdauer, Distanz, Stoppanteil, Höchstgeschwindigkeit, Durchschnittsgeschwindigkeit, minimale und maximale Beschleunigung, etc. Aus diesen Parametern lassen sich Geschwindigkeitsprofile für Fahrversuche (Testfahrten) herleiten.
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Reale Fahrzustände während des, auch simulierten, Fahrens nach einem Fahrzyklus sind geprägt durch veränderliche Fahrerverhalten, Fahrstrecken und Umgebungsrandbedingungen wie Verkehr und Wetter. Real auftretende Fahrzustände haben also verglichen mit festen Fahrzyklen wie NEDC (New European Driving Cycle) oder WLTC (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Cycle) eine sehr hohe Varianz. Mit dem Ziel der Beherrschbarkeit dieser hohen Varianz im Sinn einer zeit- und kosteneffektiven Entwicklung hat sich die Erfindung die Abstraktion von real auftretenden Fahrzuständen zum Ziel gesetzt. Ergebnis ist eine Rückführung auf eine übersichtliche Anzahl von Parametern. Im Detail können neben den bereits oben erläuterten Parametern zur Definition von Fahrzyklen beispielsweise folgende Parameter herangezogen werden: Geschwindigkeitslimitierungen, Streckenprofil (Höhe und Kurven), Halte-Zeiten und -Intervalle, Fahreraggressivität (Beschleunigungs- und Bremsverhalten), Toleranz des Fahrers bzgl. Tempolimit-Überschreitung (und Unterschreitung), Fahrerverhalten bei Konstantfahrten (sogenanntes „Geschwindigkeitswobbeln“), Aufteilung in Stadt-, Überland-, und Autobahnanteile, Verkehr (Fahrzeug-Fahrzeug-Interaktion wie Folgefahrt oder Stau), etc.
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Diese Parametrierung führt für jeden Fahrzyklus zu einem Parametersatz, der vorbestimmte Parameter, wie vorangehend erläutert, umfasst. Dieser ist in seinem Abbildungsvermögen grundsätzlich frei, kann optional auf eine Abbildung der RDE-Gesetzgebung beschränkt werden aber auch völlig freie Fahrsituationen wiedergeben. Vorteil der Abstraktion von Fahrzyklen basierend auf Parametern ist zum einen die bereits beschriebene Einschränkung der Varianz (Reduktion des Aufwands) und zum anderen die Überführbarkeit parametrischer Beschreibungen in DoE-Methoden (Design of Experiments, Statistische Versuchsplanung). Letzteres kann die Grundlage für die Herleitung eines Leitfahrzyklus (RDE-Worst-Case-Leit-Zyklus) bilden.
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Anhand dieser Parametersätze lassen sich Geschwindigkeitsprofile herleiten. Hierzu dient ein Algorithmus, der zum Beispiel anhand der vorgegebenen Verteilung von Geschwindigkeitslimitierungen über der gesamten Fahrstrecke, dem Höhenverlauf und Kurvenverlauf, der Anzahl vorgegebener Fahrstopps, dem Fahrerverhalten, etc. ein Geschwindigkeitsprofil erstellt, das all diesen Parametern entspricht.
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Bekannte RDE-Fahrzyklen orientieren sich an realen Fahrsituationen – bieten allerdings nicht die Sicherheit für jede Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination den im realen Fahrbetrieb auftretenden „Maximal“-Emissionsfall abzubilden. Es zeigen sich in Fahrversuchen unter realen Bedingungen immer wieder Situationen in denen ein Fahrzeug gegenüber einem solchen RDE-Fahrzyklus höhere Emissionen verursacht.
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Die Erfindung bietet eine methodische Lösung dieses Konflikts durch Herleitung eines Leitfahrzyklus (RDE-Worst-Case-Leit-Zyklus) für jede beliebige Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination. Die parametrische Beschreibung realer Fahrsituationen/-szenarien (Fahrzyklen) ermöglicht die Ableitung einer Simulationsmatrix mittels Design of Experiments (DoE) bestehend aus parametrischen Fahrzyklen (Größenordnung 1000 Zyklen), welche alle emissionsrelevanten Fahrsituationen abdeckt, die im Realbetrieb auftreten können. Somit lassen sich nicht vorgegebene Parametersätze mittels der Do-E-Methodik zwischen den simulierten Stützstellen, also den Daten der tatsächlich simulierten Parametersätze, ableiten, um auf Basis der begrenzten Anzahl von vorgegebenen Parametersätzen ein komplettes Modell für die Emissionen im gesamten Variationsbereich der Parameter abzuleiten. Dies geschieht in folgenden Schritten:
- – Auswahl der Parameter zur Beschreibung realer Fahrsituationen/-szenarien (Fahrzyklen),
- – Optionale Einschränkung des Versuchsraums (Simulationsraums) wie z. B. auf ein bestimmtes RDE-Gesetzgebungsszenario oder auf ein markttypisches Fahrverhalten (z.B. inklusive Autobahnfahrten bei hoher Geschwindigkeit) durch entsprechende Limitierung zumindest einzelner Parameter,
- – Erzeugung einer parametrischen Fahrzyklusmatrix mittels DoE,
- – Durchführung der Fahrzyklus-Emissionssimulationen (Größenordnung 1000 Fahrzyklen),
- – Modellierung der Abgasemissionsergebnisse in Abhängigkeit der Parametersätze für die Fahrzyklen mittels Gaußprozessmodellen oder alternativer mathematischer Modelle,
- – Ermittlung des Parametersatzes desjenigen Fahrzyklus mit maximalen Abgasemissionen (Leitfahrzyklus, RDE-Worst-Case-Leit-Zyklus) aus dem mathematischen Emissionsmodell unter Einhaltung spezifischer Randbedingungen,
- – Durchführung der Fahrzyklus-Emissionssimulation mit dem Parametersatz des zuvor ermittelten Leitfahrzyklus.
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Zur Bereitstellung einer begrenzten Anzahl von Parametersätzen für verschiedene Fahrzyklen kann zumindest ein Teil der Parameter der Parametersätze randomisiert vorgegeben werden. Auf Basis der Ergebnisse eines Zufallsgenerators wird somit bereits eine gewisse Varianz der verschiedenen Parametersätze der Fahrzyklen erzielt.
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Für zumindest einen Teil der Parameter können Grenzwerte vorgegeben sein, um die vorzugebenden Fahrzyklen z.B. an RDE-Gesetzgebungen anzupassen.
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An die Ermittlung des Leitfahrzyklus kann sich das Vorgeben eines gegenüber dem Abgasemissionsmodells nach den Verfahren der vorangehenden Ansprüche geänderten Abgasemissionsmodells anschließen. Das Abgasemissionsmodell wird an eine geänderte Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination angepasst, um geplante oder in Entwicklung befindliche Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination testen zu können. Mit diesem geänderten Abgasemissionsmodells werden dann die Abgasemissionen während des simulierten Fahrversuchs gemäß dem Leitfahrzyklus ermittelt.
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Die Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination kann iterativ in Abhängigkeit der in der Simulation vorhergesagten Abgasemissionen optimiert und angepasst werden.
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Die Erfindung wir im Folgenden anhand der Figuren näher erläutert. Hierin zeigt
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1 schematisch die einzelnen Elemente des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Ermittlung eines Leitfahrzyklus;
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2 schematische Beispiele von Schadstoffemissionskennfeldern;
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3 einen Ausschnitt aus einem Geschwindigkeitsprofil für unterschiedliche Fahreraggressivitäten;
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4 ein Diagramm eines Geschwindigkeitsprofils, abgeleitet von einem Parametersatz eines Fahrzyklus;
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5 Emissionsverläufe einzelner Schadstoffkomponenten während eines Fahrversuches; und
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6 eine schematische Darstellung der Abgasemissionsergebnisse für die Schadstoffkomponente Partikelanzahl.
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Die 1 zeigt schematisch die einzelnen Elemente des erfindungsgemäßen Verfahrens. Zunächst wird von verschiedenen Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen 1, 2, 3 eine bestimmt Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination 1 ausgewählt, auf deren Basis Fahrversuche simuliert werden sollen.
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Für die ausgewählte Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination 1 wird ein Abgasemissionsmodell 4 bereitgestellt. Hierbei handelt es sich um softwareimplementierte Algorithmen zur Vorhersage von Abgasemissionen. Das Abgasemissionsmodell umfasst Submodelle, wie zum Beispiel Rohemissionsmodelle und Abgasnachbehandlungsmodelle der einzelnen Komponenten der ausgewählten Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination 1. Diese Modelle kombinieren physikalische und chemische Berechnungen mit statistisch validierten Korrelationen. Hierbei kommen Schadstoffemissionskennfelder 5 (2) zum Einsatz. Dies sind Kennfelder, die die Schadstoffemissionen einzelner Schadstoffkomponenten wie Partikelanzahl (PN), Partikelmasse (PM), Kohlenwasserstoffe (HC), Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx) als Funktion der Motorlast und Motordrehzahl für eine Grundvermessung zeigen (z. B. Betriebsmittel 90 °C, Grundapplikation, o. ä.). Sie stammen aus ersten Kennfeldmessungen der unter Entwicklung befindlichen Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination, insbesondere des Motors dieser Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination, von vorhandenen Messungen der Vorgänger-Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination oder werden synthetisch abgeleitet aus Entwicklungsdatenbanken wie sie bei Fahrzeugherstellern und -entwickler in der Regel vorhanden sind. Die Rohemissionsmodelle übertragen die Schadstoffemissionskennfeldwerte, die nur für die beschränkten Randbedingungen der Grundvermessung Gültigkeit haben, in einen breiten Gültigkeitsbereich indem sie wesentliche Einflussparameter auf die Schadstoffemission abbilden. Die Rohemissionsmodelle bilden u. a. folgende Effekte ab: Einfluss des Verbrennungsluftverhältnisses, Einfluss der Motorbetriebstemperatur, Einfluss des Zündzeitpunktes und Verschiebung des Emissionsverhaltens durch Transientverhalten. Weiterhin wird ein Abgastemperaturmodell implementiert, dessen Berechnungsergebnisse neben den Rohemissionsinformation als Eingabeinformation für die Abgasnachbehandlungsmodelle dienen, z.B. für Modelle der Emissionsminderung im Dreiwegekatalysator und Modelle der Partikelfiltrierung im Otto-Partikel-Filter.
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In einem folgenden Schritt werden verschiedene Fahrzyklen parametrisiert. Das heißt, dass einzelne Fahrzyklen durch eine Vielzahl von Parametern, die zusammen einen Parametersatz darstellen, definiert werden. Bei diesen Parametern kann es sich zum Beispiel um die folgenden Parameter handeln, wobei diese Aufzählung nicht abschließend zu verstehen ist und auch nicht sämtliche dieser Parameter herangezogen werden müssen, um einen Fahrzyklus zu definieren: Gesamtdauer des Fahrzyklus, Stillstandsdauer, Distanz, Stoppanteil, Höchstgeschwindigkeit, Durchschnittsgeschwindigkeit, minimale und maximale Beschleunigung, Geschwindigkeitslimitierungen, Streckenprofil (Höhe und Kurven), Halte-Zeiten und -Intervalle, Fahreraggressivität (Beschleunigungs- und Bremsverhalten), Toleranz des Fahrers bzgl. Tempolimit-Überschreitung (und Unterschreitung), Fahrerverhalten bei Konstantfahrten (sogenanntes „Geschwindigkeitswobbeln“), Aufteilung in Stadt-, Überland-, und Autobahnanteile, Verkehr (Fahrzeug-Fahrzeug-Interaktion wie Folgefahrt oder Stau).
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3 zeigt zum Beispiel den Geschwindigkeitsverlauf (das Geschwindigkeitsprofil) unterschiedlicher Fahrer. Auf der x-Achse ist die Zeit und auf der y-Achse die Geschwindigkeit abgetragen. Ein erster Geschwindigkeitsverlauf 7 zeigt das Verhalten eines ersten Fahrers mit aggressiverem Fahrverhalten als das eines zweiten Fahrers, dessen zweiter Geschwindigkeitsverlauf 8 ebenfalls dargestellt ist. Beide Fahrer fahren entlang derselben Strecke mit einer Anhebung eines Geschwindigkeitslimits und einer Absenkung des Geschwindigkeitslimits. Der aggressivere erste Fahrer beschleunigt deutlich früher und schneller als der zweiter Fahrer und erreicht zudem in allen Streckenabschnitten eine höhere Geschwindigkeit. Ferner ist zu erkennen, dass der aggressivere Fahrer auch deutlich stärker und schneller abbremst. Je nachdem, welche Fahreraggressivität als Parameter vorgegeben wird, wird sich dementsprechend ein anderes Geschwindigkeitsprofil ergeben.
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Anhand jedes einzelnen Parametersatzes zur Definition der Fahrzyklen wird im Anschluss ein Geschwindigkeitsprofil 9 für jeden einzelnen Fahrzyklus abgeleitet. Hierzu dienen softwareimplementierte Algorithmen. 4 zeigt exemplarisch ein Diagramm eines Geschwindigkeitsprofils 9, wobei auf der x-Achse die Zeit und auf der y-Achse die Geschwindigkeit abgetragen sind. Auf Basis des so abgeleiteten Geschwindigkeitsprofils und der sich aus den Parametern des jeweiligen Parametersatzes ergebenden Last zu jedem Zeitpunkt des Geschwindigkeitsprofils, wird für jeden Fahrzyklus ein Fahrversuch, also eine Realfahrt, simuliert. Mithilfe des Abgasemissionsmodells der vorbestimmten Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombination, welche auch einem konkreten Fahrzeug oder einem Fahrzeugtyp entsprechen kann, wird somit für jeden Parametersatz ein Datensatz mit Abgasemissionsergebnissen ermittelt.
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5 zeigt für einen beispielhaften Fahrzyklus einen Datensatz mit Abgasemissionsergebnissen. Der Verlauf einzelner Schadstoffkomponenten, PN, HC, CO, CO2, und NOx, d.h. deren kumulierter Ausstoß, ist auf der y-Achse über der Zeit (x-Achse) angegeben.
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Aus den einzelnen Abgasemissionsergebnissen für die verschiedenen Parametersätze lässt sich nun, zum Beispiel mittels eines DoE-Ansatzes (Design of Experiments bzw. statistische Versuchsplanung), ein Zusammenhang zwischen den Parametern der Parametersätze und den Abgasemissionsergebnissen herleiten. Somit kann für jeden beliebigen Parametersatz das entsprechende Abgasemissionsergebnis abgeleitet werden, ohne dass für jeden Parametersatz eine Simulation eines Fahrversuchs durchgeführt werden muss. Da die Simulation eines Fahrversuchs eine nicht unerhebliche Zeit in Anspruch nimmt, kann die Gesamtzeit zur Ermittlung der Emissionsergebnisse beliebig vieler Parametersätze erheblich reduziert werden.
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6 zeigt schematisch die Abgasemissionsergebnisse für die Schadstoffkomponente Partikelanzahl (PN) für zwei Parameter, die auf den Achsen x und y abgetragen sind. In der Praxis werden in der Regel mehr als nur zwei Parameter für die Definition des Fahrzyklus herangezogen. In 6 wurden jedoch nur zwei Parameter dargestellt, um die Abgasemissionsergebnisse graphisch darstellen zu können. Die dargestellte Fläche gibt somit die Abgasemissionsergebnisse sämtlicher Parametersätze wieder.
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Die Parameterkonstellation, bei der die Partikelanzahl am höchsten ist, definiert als Parametersatz einen Leitfahrzyklus. Dieser Leitfahrzyklus kann dann für andere Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen 2, 3 gemäß 1 herangezogen werden, um Fahrversuche zu simulieren. Da es sich bei dem Leitfahrzyklus um denjenigen Fahrzyklus handelt, der die höchsten Emissionswerte, in diesem Beispiel für die Partikelanzahl, liefert, kann davon ausgegangen werden, dass sich bei allen anderen Fahrzyklen auch für die neue Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen 2, 3 geringere Emissionswerte ergeben. Es ist daher nicht erforderlich, Fahrversuche mit verschiedenen Fahrzyklen durchzuführen, was wiederum eine große Zeitersparnis für die nachfolgende Überprüfungen geänderter Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen 2, 3 darstellt.
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Für den Fachmann ist es klar, dass das gesamte erfindungsgemäße Verfahren computergestützt und softwareimplementiert auf einem oder mehreren Computern durchgeführt wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen
- 2
- Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen
- 3
- Fahrzeug-Antriebsstrang-Kombinationen
- 4
- Abgasemissionsmodell
- 5
- Schadstoffemissionskennfeld
- 6
- Parametersatz
- 7
- erster Geschwindigkeitsverlauf
- 8
- zweiter Geschwindigkeitsverlauf
- 9
- Geschwindigkeitsprofil