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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln für ein Fahrzeug, ein entsprechendes Computerprogramm, ein entsprechendes elektronisches Speichermedium auf dem das Computerprogramm gespeichert ist, sowie eine entsprechende Vorrichtung zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln für ein Fahrzeug.
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Stand der Technik
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Heutige Rückhaltesysteme werden typischerweise mittels Verfahren angesteuert, die Messdaten von Beschleunigungssensoren verwenden, welche an bestimmten Stellen innerhalb des Fahrzeuges angebracht sind. Entscheidend für die Ansteuerung bzw. Aktivierung der Rückhaltemittel ist das Erreichen einer bestimmten Unfallschwere. So macht es z.B. keinen Sinn im Falle einer Bagatellkollision mit einer niedrigen Kollisionsgeschwindigkeit die Rückhaltemittel, wie bspw. Airbags, zu aktivieren. Bei solchen Geschwindigkeiten entfalten die Rückhaltemittel kaum eine zusätzliche Schutzwirkung. Andererseits ist bei einer Kollision mit hohen Geschwindigkeiten gegen eine starre Wand mit voller Überdeckung (wie z.B. beim USNCAP-Test) oder mit 40 %iger Überdeckung gegen eine deformierbare Barriere (wie z.B. beim EuroNCAP-Test) eine rechtzeitige Aktivierung aller verfügbarer Rückhaltemittel in kürzester Zeit notwendig, um den Schutz der Insassen zu erhöhen. Zwischen diesen Extremfällen existiert ein breites Spektrum verschiedenster Anforderungen an die Ansteuerung der Rückhaltemittel in Abhängigkeit vom Verletzungsrisiko der Insassen und damit abhängig von der Crashschwere.
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Offenbarung der Erfindung
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Mit der vorliegenden Erfindung werden u.a. die folgenden Nachteile der aus dem Stand der Technik bekannten Systeme adressiert:
- • Die nach dem Stand der Technik eingesetzte Tiefpassfilterung in der Vorverarbeitung der erfassten Sensorsignale, insbesondere der Beschleunigungssignale, besitzt keine physikalische Grundlage. Durch sie bleiben für die Crashschwerebestimmung nutzbare Informationen ungenutzt und sie kann die Signalcharakteristik in einem ungewünschten Maße beeinflussen.
- • Insbesondere ergibt sich durch Tiefpassfilterung nur eine qualitativ nicht zufriedenstellende Annäherung an die Schwerpunktbeschleunigung des Fahrzeuges.
- • Das tiefpassgefilterte Beschleunigungssignal überschätzt im Allgemeinen die Amplitude der Beschleunigung in denjenigen Bereichen in denen die Amplitude ansteigt und unterschätzt sie, in den Bereichen in denen sie abfällt, relativ zur korrekten Schwerpunktbeschleunigung des Fahrzeuges.
- • Die Parameter der Tiefpassfilterung lassen sich nicht aus Fahrzeugeigenschaften ableiten. Sie sind insofern für jedes Fahrzeug neu mit einem gewissen Aufwand zu bestimmen.
- • Der Einfluss des Sensoreinbauortes auf die Charakteristik der Crashsignale kann nicht im Vorfeld eingeschätzt werden.
- • Falls hochfrequente Signalanteile zur Bestimmung einer Auslöseentscheidung einfließen, ist nicht in jedem Fall klar, ob es sich dabei um robuste Merkmale handelt.
- • Es werden keine direkt zur Crashschwere in Beziehung stehenden physikalischen Größen wie Kraft F, Deformationsgeschwindigkeit Vdefo, und Steifigkeiten D berechnet.
- • Ein Algorithmus der diese Größen nicht explizit berechnet, lässt sich nur schwierig verifizieren und kann nur unter Problemen Daten von z.B. vorausschauenden System oder Car2Car-Kommunikation in die Entscheidungsfindung mit einfließen lassen. Der Rückschluss auf die Crashschwere wird nur implizit (z.B. über den Zeitpunkt der Schwellenüberschreitung) durchgeführt.
- • Der Applikationsprozess heutiger Algorithmen ist sehr aufwendig, da er Daten von vielen Crashtests benötigt, obwohl es sich in jeder Situation um das gleiche Fahrzeug und dieselbe Konstruktion handelt.
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Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Erfindung ein Verfahren zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln für ein Fahrzeug vor mit den Schritten:
- • Erfassen zu einem ersten Zeitpunkt mindestens eines ersten eine Beschleunigung repräsentierenden Wertes;
- • Ermitteln eines eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wertes aus dem erfassten, mindestens einen ersten eine Beschleunigung repräsentierenden Wert;
- • Ansteuern der Rückhaltemittel abhängig von dem ermittelten Wert.
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Kern der Erfindung ist die Ermittlung kollisionsabhängiger, physikalischer Größen auf der Basis konstruktiver Eigenschaften des Fahrzeugs zur Ansteuerung von Rückhaltemitteln des Fahrzeugs im Falle einer Kollision.
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Vorliegend werden dabei unter einem Verfahren zum Ansteuern von Rückhaltemittel Berechnungs- bzw. Verarbeitungsvorschriften für erfasste Sensorsignale verstanden, die dazu führen, dass für ein oder mehrere Rückhaltemittel eines Fahrzeuges eine Ansteuerentscheidung getroffen wird bzw. ein Ansteuersignal erzeugt wird.
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Unter Rückhaltemittel werden vorliegende unter anderem die technischen Einrichtungen eines Fahrzeugs verstanden, die dazu geeignet sind Leib und Leben der Insassen und sonstiger an einer Kollision Beteiligten zu schützen und zu bewahren. Dies sind unter anderem Airbags, Gurtstraffer, aktive Kopfstützen, aufstellbare Motorhauben, aktive Fahrzeugsitze u.dgl.
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Die real auf das Fahrzeug wirkende Kraft wird auf der Basis eines an einer beliebigen Stelle des Fahrzeuges angebrachten Beschleunigungssensors mit hoher Genauigkeit in nahezu Echtzeit bestimmt. Zusätzlich erlauben die genaue Kenntnis der Entstehungsmechanismen der hochfrequenten Signalanteile und deren Verwendung zur unabhängigen und robusten Bestimmung crashabhängiger Kollisionsparameter eine weitere Verbesserung der Genauigkeit der Ansteuerung der Rückhaltemittel.
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Vorteile der Erfindung sind damit unter anderem:
- • Die Erfindung basiert direkt und zuordenbar auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten und ist deswegen einfach und mit geringem Aufwand auf verschiedenste Fahrzeuge übertragbar, da die relevanten Parameter mittels einer einfachen Messung bestimmt werden können.
- • Es verbessert die Genauigkeit der Bestimmung crashrelevanter, physikalischer Parameter, da der Informationsgehalt der gemessenen Signale optimal ausgenutzt wird sowie vorhandenes Wissen über die Konstruktion des Fahrzeuges verwendet wird. Damit ist eine feinere Abstufung in der Bestimmung der Crashschwere möglich, welche wiederum erlaubt, Rückhaltesysteme (RHS) mit höheren Anforderungen wie sie z.B. von adaptiven RHS verlangt werden, anzusteuern.
- • Das Verfahren ist auch auf Fahrzeugstrukturen mit neuartigen Werkstoffen anwendbar, so z.B. wenn die Deformationsstrukturen eines Fahrzeuges aus bspw. kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehen.
- • Durch Anwendung des Verfahrens kann der Applikationsprozess des Auslösealgorithmus schneller und effektiver durchgeführt werden, da einerseits die Anzahl der benötigten Crashdaten reduziert wird, andererseits viele Einstellungen schon auf der Basis der konstruktiven Merkmale des Fahrzeuges vorgenommen werden können.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens erfolgt die Ermittlung des eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wertes mittels fahrzeug- und/oder einbauspezifischen Parametern (K0 bis Kn, sowie ∆t0 bis ∆tn). Die Parameter sind dabei dazu geeignet, die Einflüsse der Fahrzeugstruktur auf die Ausbreitung eines durch eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft erzeugten Beschleunigungssignals zu beschreiben.
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Mithin lässt sich mittels der Parameter aus einem gemessenen Beschleunigungssignal mit sehr hoher Genauigkeit die auf das Fahrzeug wirkende Kraft ermitteln.
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Die Parameter sind dabei fahrzeug- und/oder einbauspezifisch. Insbesondere spiegeln sie die Einflüsse der Fahrzeugstruktur bis zum Einbauort des eine Beschleunigung erfassenden Sensors wieder.
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Die Parametern (k0 bis kn, sowie ∆t0 bis ∆tn) lassen sich durch experimentelle Messungen am Fahrzeug ermitteln. Dafür können an verschiedenen Stellen im Fahrzeug, beispielsweise an der Frontstruktur, Kräfte auf das Fahrzeug aufgebracht werden, deren Auswirkungen, also sich ausbreitende Beschleunigungssignale im Fahrzeug, an unterschiedlichen Stellen gemessen werden können. Als Kräfte können beispielsweise kurze gaußförmige Kraftpulse auf das Fahrzeug gegeben werden, oder sonstige definierte Kraftpulse. Aus den gemessenen Beschleunigungssignalen und den wirkenden Kräften lassen sich die Parameter ermitteln.
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Für die Parameter gilt dabei die folgende Beziehung: a(t) = k0F(t – Δt0) + k1F .(t – Δt1) + k2F .(t – Δt2) + k3F .(t – Δt3) + ..., wobei F . die zeitliche Ableitung der Kraft repräsentiert, die ki fahrzeugspezifische Parameter sind und die ∆ti fahrzeugspezifische Signallaufzeiten bezeichnen, mit i = 0, ... n.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens erfolgt eine Bestimmung eines eine momentane Deformationstiefe repräsentierenden Wertes.
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Experimentell oder rechnerisch kann eine Kraft-Weg-Charakteristik für die an einer Kollision beteiligten Bauteile eines Fahrzeugs ermittelt werden. Der Weg in dieser Charakteristik entspricht dann der Deformationstiefe. Da die nach dem vorliegenden Verfahren ermittelte, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte dagegen abhängig vom Fortschreiten der Kollision, demnach abhängig von der Zeit sind, wird in den nachfolgenden Ausführungen aufgezeigt, mit welchen Methoden hier eine Zuordnung der ermittelten auf das Fahrzeug wirkenden Kraft und für das Fahrzeug geltenden Kraft-Weg-Charakteristik durchgeführt werden kann und welche auslöserelevanten Parameter sich daraus nach vorteilhaften Ausführungsformen des vorliegenden Verfahrens gewinnen lassen.
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Ziel des Vergleichs ist die Zuordnung eines bestimmten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wertes, welcher einer bestimmten, im Augenblick noch unbekannten Deformationstiefe entspricht, zu dem korrespondierendem Wert der Kraft-Weg-Charakteristik. Wenn diese Zuordnung durchgeführt wird, kann der Wert nunmehr einer ganz bestimmten Deformationstiefe zugeordnet werden. Es gilt dann die Kraft der Kraft-Weg-Charakteristik entspricht der ermittelten auf das Fahrzeug wirkenden Kraft.
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Gemäß Ausführungsformen des vorliegenden Verfahrens kann dabei die momentane Deformationstiefe wie folgt ermittelt werden:
Fall a: Die Kraft-Weg-Charakteristik liegt als eine streng monoton steigende Funktion von s vor. In diesem Fall kann direkt die Umkehrfunktion s = f(F) gebildet werden.
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Die Zuordnungen eines eine Kraft repräsentierenden Wertes auf einen eine Deformationstiefe repräsentierenden Wert werden in einer entsprechenden Vorrichtung (bspw. einem Steuergerät) in geeigneter Weise abgelegt (bspw. in Form einer Tabelle oder parametrisiert, z.B. in Form der beschreibenden Parameter eines Polynoms, welches diese Werte in geeigneter Form annähert). Während der Anwendung, z.B. im Falle einer Kollision wird nun aus dem in den vorherigen Schritten bestimmten eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werten direkt mittels dieser Zuordnung die den Werten zugeordnete Deformationstiefe bestimmt und zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung gestellt. Die dazu gehörige Zeit (vorzugsweise von Crashbeginn an gezählt) wird ebenfalls abgespeichert.
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Fall b: Die Kraft-Weg-Charakteristik liegt lediglich als monoton steigende Funktion vor. Im Gegensatz zur Ausführungsform gemäß Fall a wird die Umkehrfunktion nicht in einem Stück gebildet, sondern lediglich für die Abschnitte, in denen die Funktion streng monoton steigend ist. In der weiteren Auswertung wird das gemäß Ausführungsform nach Fall a beschriebene Verfahren analog angewendet. Für diejenigen Abschnitte der Funktion, die nicht streng monoton sind, kann keine eindeutige Zuordnung der ermittelten Kraft zu einer Deformationstiefe durchgeführt werden. In einem solchen Fall wird ein entsprechender Wert ausgegeben, der eine Überbestimmung kennzeichnet (bspw. durch Setzen eines Flags). So, dass Werte, welche in dieses Intervall fallen, später in der weiteren Auswertung entsprechend behandelt werden (bspw. ignoriert werden).
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Fall c: Die Kraft-Weg-Charakteristik liegt weder als streng monoton noch als monoton steigende Funktion vor, sondern stellt eine beliebige Zuordnung (Funktion) dar. In einer solchen Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens kann entweder das Verfahren b) für die entsprechenden Abschnitte angewendet werden oder ein geeignetes Normierungsverfahren.
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Wird ein dem bekannten Verfahren des ‚Dynamic Time Warping‘ ähnlichem Verfahren, wie es z.B. aus der Spracherkennung bekannt ist, angewendet. Dann entspricht die „Sollfolge“ der Kraft-Weg-Charakteristik der Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens und die „zeitverzerrte Folge“ dem Verlauf der ermittelten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte. Das Resultat der Anwendung des Verfahrens ist wieder eine genaue Zuordnung des momentanen Zeitpunkts zu einer momentanen Deformationstiefe über den nach dem vorliegenden Verfahren ermittelten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wert.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens erfolgt aus der zeitlichen Integration aus den ermittelten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte eine Ermittlung eines Geschwindigkeitsabbaus. Die eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte können dabei als die Schwerpunktbeschleunigung des Fahrzeugs repräsentierende Werte verstanden werden. Wobei die Beziehung angenommen wird, dass die Schwerpunktbeschleunigung dem die Kraft repräsentierenden Wert geteilt durch die Masse des Fahrzeugs entspricht. Eine Integration bzw. eine Aufsummation dieser Werte führt zu einem Maß für den Geschwindigkeitsabbau.
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Alternativ ist es auch möglich, eine Geschwindigkeitsänderung nach herkömmlicher Weise direkt durch Integration aus dem erfassten Beschleunigungswert des Beschleunigungssensors zu berechnen. Allerdings ist das vorliegende Verfahren dem herkömmlichen überlegen, da es eine genauere Berechnung der Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugschwerpunktes ermöglicht. Das herkömmliche Verfahren überschätzt insbesondere zu Crashbeginn die Geschwindigkeitsänderung. Die Masse des Fahrzeuges kann entweder als Wert im Speicher eines Steuergerätes abgelegt sein oder sie wird indirekt aus Fahrdynamikeigenschaften oder der Kombination von Motorsteuerungsparametern und sich ergebender Fahrzeuglängsbeschleunigung bzw. aus Bremsansteuerungsparametern und sich ergebender Längsverzögerung bestimmt oder aus einer Kombination aus einem oder mehreren dieser Verfahren.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens, wonach in einem zusätzlichen Schritt ein Crashtyp anhand eines Vergleichs des ermittelten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wertes mit dem eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft abhängig von der momentanen Deformationstiefe repräsentierenden Wert bestimmt wird, kann eine verbesserte Ansteuerung der Rückhaltemittel vorgenommen werden. Bspw. könnte auf der Basis des erkannten Crashtyps direkt, über eine rückhaltesystem- oder fahrzeugspezifische Tabelle oder über ein weiteres Verfahren bzw. Unterverfahren die verbesserte Ansteuerung der Rückhaltemittel vorgenommen werden.
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Die vorbestimmte Kraft-Weg-Charakteristik kann die bei einer Kollision des Crashtyps „Teilüberdeckung“ wirkende Kraft beschreiben. Wird dabei der Kraft-Verlauf ermittelt, der dem im Wesentlichen Doppelten der Kraft-Weg-Charakteristik entspricht, dann liegt eine Kollision des Crashtyps „Volle Überdeckung“ vor. Dem Fachmann ist bewusst, dass die ermittelte Kraft und die Kraft-Weg-Charakteristik nicht exakt über den Faktor ‚2‘ sprich dem Doppelten verknüpft sein müssen.
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Durch einen Vergleich der ermittelten Kraft mit der bekannten Kraft-Weg-Charakteristik lassen sich nun Aussagen über den Kollisionstyp treffen und zur Ansteuerung der Rückhaltemittel verwenden. Dabei wird die ermittelte Kraft mit dem jeweils korrespondierenden Wert der Kraft-Weg-Charakteristik verglichen.
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Korrespondierend bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der ermittelte Kraftwert und die Kraft-Weg-Charakteristik dann korrespondierend sind, wenn sie der gleichen momentanen Deformationstiefe entsprechen.
- a) Crashtyp „Unfall mit voller Überdeckung“: Dieser Crashtyp liegt vor, wenn die ermittelte Kraft im Wesentlichen mit der doppelten Kraft-Weg-Charakteristik korrespondiert.
(Beide Lastpfade des Fahrzeuges werden in der Kollision deformiert. Es tritt keine Kraft auf, welche geringer ist, als die eigene Deformationskraft, der Gegner wird also nicht deformiert.)
- b) Crashtyp „Unfall mit voller Überdeckung gegen ein deformierbares Hindernis“: Dieser Crashtyp liegt vor, wenn die ermittelte Kraft im Wesentlichen größer als die einfache Kraft-Weg-Charakteristik ist gleichzeitig kleiner als die doppelte Kraft-Weg-Charakteristik.
(Beide Lastpfade werden in der Kollision deformiert, allerdings ist die ermittelte Kraft kleiner, als die, welche bei einem starren Hindernis zu erwarten ist. Der Kollisionspartner ist also in einem gewissen Umfang deformierbar.)
- c) Crashtyp „Unfall gegen deformierbares Objekt mit „Voller Überdeckung“ oder mit „Teilüberdeckung“: Dieser Crashtyp liegt vor, wenn die ermittelte Kraft kleiner als die Kraft-Deformations-Charakteristik ist.
(Da die ermittelte Kraft kleiner als die zur Deformation des eigenen Fahrzeugs notwendige Kraft ist, ergibt sich zwingend, dass im Augenblick gerade der Gegner deformiert wird. Über den Überdeckungsgrad lässt sich zunächst keine direkte Aussage machen, da es sich entweder um einen Unfall mit voller Überdeckung mit einem Gegner sehr geringer Steifigkeit handelt, oder um einen Unfall mit teilweiser Überdeckung mit einem Gegner mit etwas höherer Steifigkeit.)
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Um zu ermitteln, ob und wie die ermittelte Kraft mit der bekannten Kraft-Weg-Charakteristik korrespondiert, liegen je nach Ausführungsform verschiedene Methoden vor. Unter anderem die im Folgenden erläuterten.
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Methode 1: Es wird die in einem bestimmten Zeitintervall auftretende maximale Kraft mit dem Maximum der Kraft über einem bestimmten Deformationstiefeintervall verglichen.
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Diese Methode kann gemäß verschiedener Ausführungsformen realisiert werden.
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Ausführungsform 1: Typischerweise ist der Kraftverlauf bei herkömmlichen Crashstrukturen so, dass auf einen initialen Anstieg der Kraft ein Plateau oder ein Rückgang der Kraft zu beobachten ist. Das Plateau bzw. der Rückgang der Kraft sind auf das Auftreten einer ersten Faltung einer Crashstruktur zurückzuführen. Da diese Merkmale in dem ermittelten Kraftwert leicht zu erkennen sind (z.B. durch dem Fachmann bekannte Verfahren zur Peakerkennung oder Plateauerkennung), wird das Intervall zur Bestimmung des Maximums des ermittelten Kraft-Werts dynamisch genau auf diese Crashphase ausgelegt, also von Crashbeginn bis zur ersten Faltung. Der Vergleichswert der Kraft-Weg-Charakteristik Max entspricht dann der Deformationstiefe mit maximalem Kraftniveau im entsprechenden Intervall.
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Ausführungsform 2: Crashstrukturen aus anderen Materialien, z.B. aus kohlefaserverstärktem Kunststoff weisen i.A. kein solches Muster auf. Allerdings weisen sie häufig das Merkmal eines sehr gleichmäßigen und konstanten Kraftniveaus auf. Dieses wird nach einem ersten Anstieg der Kraft erreicht. Das Verfahren würde in diesem Fall zunächst über eine dem Fachmann bekannten Homogenitätserkennung bzw. Plateauerkennung das konstante Kraftniveau der ermittelten Kraft bestimmen und dieses dann der korrespondierenden Kraft-Weg-Charakteristik zuordnen.
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Methode 2: In einer alternativen Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens wird sowohl geprüft, ob die ermittelte Kraft mit der Kraft-Weg-Charakteristik für den Crashtyp der einfachen Überdeckung als auch ob die ermittelte Kraft mit der Kraft-Weg-Charakteristik für die volle Überdeckung korrespondiert. Über ein geeignetes Qualitäts- bzw. Übereinstimmungsmaß wird geprüft zu welcher Kraft-Weg-Charakteristik die ermittelte Kraft besser passt.
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Methode 3: Zunächst wird analog zu Methode 2 das Korrespondieren der ermittelten Kraft zu einer der Kraft-Weg-Charakteristiken geprüft. Ergänzend wird eine Abweichungen der ermittelten Kraft bzw. des Verlaufs der ermittelten Kraft von der Kraft-Weg-Charakteristik bestimmt. Tritt eine Abweichung zu niedrigeren Kräften auf, als sie der Kraft-Weg-Charakteristik entsprechen würde, handelt es sich bei dem Kollisionsgegner um ein deformierbares Objekt. Abhängig von dem Korrespondieren zu der Kraft-Weg-Charakteristik für die Teil- bzw. volle Überdeckung wird eine Aussage über den Überdeckungsgrad gemacht. Damit ist eine vollständige Bestimmung des Kollisionsereignisses nach den Kriterien volle Überdeckung bzw. Teilüberdeckung, starres Hindernis bzw. deformierbares Hindernis möglich und eine Ansteuerung der Rückhaltemittel kann abhängig von diesen Informationen durchgeführt werden.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung des vorliegenden Verfahrens wird aus aufeinanderfolgenden Zuordnungen von Zeitpunkten eines ermittelten Kraftwerts zu der zu dem ermittelten Kraftwert korrespondierenden Deformationstiefe sowie dem zu diesem Zeitpunkt ermittelten Geschwindigkeitsabbau eine Deformationsgeschwindigkeit des Fahrzeugs bestimmt.
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Aus der ermittelten Deformationstiefe zu bestimmten Zeitpunkten lässt sich die mittlere in diesem Zeitintervall vorliegende Deformationsgeschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs mittels nachstehender allgemein bekannter Formel ermitteln:
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Dem Fachmann ist bekannt durch verschiedenste Verfahren die Qualität, sprich die Genauigkeit, der Ermittlung der Deformationsgeschwindigkeit zu verbessern. Unter anderem durch die Wahl der Länge des berücksichtigten Zeitintervalls oder über eine Median-Filterung der Eingangswerte.
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In einer vorteilhaften Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens wird die Steifigkeit des Kollisionsgegners ermittelt, wobei abhängig von der ermittelten Deformationsgeschwindigkeit des Fahrzeugs und dem einen Geschwindigkeitsabbau repräsentierenden Wertes eine Mindestdeformationsgeschwindigkeit eines Kollisionsgegners ermittelt wird.
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Die Steifigkeit des Kollisionsgegners ist eine wichtige Größe zur Bestimmung der Ansteuerung von Rückhaltemitteln. Bei Gegnern mit hoher Steifigkeit wird durch die Insassen schneller eine kritische Vorverlagerung erreicht und es ist erforderlich die Rückhaltemittel schneller zu aktivieren, um eine gute Ankopplung der Insassen an das Rückhaltesystem zu erreichen.
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Die momentane Steifigkeit des Kollisionsgegners kann durch eine Kraft ausgedrückt werden, die üblicherweise von der momentanen Deformationstiefe des Kollisionsgegners abhängt.
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Aus den vorhergehenden Ausführungen ist bekannt, dass eine Zuordnung der ermittelten Kraft zu einer momentanen Deformationstiefe durchgeführt werden kann. Ebenso ist bekannt, dass genau dann eine Deformation des Kollisionsgegners erfolgt, wenn die momentane Steifigkeit des Kollisionsgegners kleiner ist als die momentane Steifigkeit des eigenen Fahrzeugs.
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In diesem Fall lässt sich die Deformationsgeschwindigkeit des Kollisionsgegners berechnen. Die Steifigkeit des Kollisionsgegners kann nun mit folgender Methode ermittelt werden:
Wenn die momentane Deformationsgeschwindigkeit des eigenen Fahrzeuges sehr klein ist und die errechnete momentane Deformationsgeschwindigkeit des Gegners einen bestimmten Wert überschreitet, dann entspricht der ermittelte, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierende Wert, direkt der momentanen Steifigkeit des Gegners.
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Die Kriterien ‚sehr klein‘ und ‚einen bestimmten Wert überschreitet‘ können dabei als vorbestimmte Schwellenwerte vorliegen. Sie dienen der Erhöhung der Robustheit des Systems.
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In einer weiterführenden Ausführungsform kommt die Anwendung heuristischer Informationen zur Stützung der Masseschätzung zur Anwendung.
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Aus den Werten für die momentane Steifigkeit des Kollisionsgegners können zusätzlich Rückschlüsse über den Unfallgegner getroffen werden. Z.B. kann der Gegner abhängig von diesem Wert in bestimmte Klassen eingeteilt werden: Bspw. 1. Weich, 2. Normal. 3. Hart. Es kann auch eine weitere Zuordnung erfolgen, da im Allgemeinen die Härte eines Kollisionsgegners mit dessen Masse korreliert, kann aus der Kenntnis der Steifigkeit bzw. der Härte eine Zuordnung zu einem Gewicht bzw. einer Gewichtsklasse des Kollisionsobjekt vorgenommen werden. Z.B.:
- 1. Weich -> leichtes Objekt
- 2. Normal -> mittelschweres Objekt
- 3. Hart -> schweres Objekt (z.B. Lastwagen, feststehendes Hindernis)
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Natürlich kann die Zuordnung und die Unterteilung beliebig verfeinert und in wählbarer Reihenfolge vorgenommen werden.
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Das Verfahren kann in entsprechender Weise auch zur Detektion von Objekten anderer Art verwendet werden, die eine ganz besondere Kombination von Masse, Steifigkeit und Überdeckungsgrad in der Kollision besitzen, also z.B. Fußgänger, Pfähle usw. ...
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In einer weiteren Ausführungsform kann eine solche Klassifizierung dadurch, dass nicht nur der momentane Wert der gegnerischen Steifigkeit verwendet wird, sondern seine Steifigkeits-Deformations-Charakteristik berechnet wird und z.B. mit einem Katalog vorhandener Steifigkeits-Deformations-Charakteristiken verglichen wird. Wenn im Katalog gleichzeitig auch noch andere Variablen wie z.B. Fahrzeugmasse abgelegt sind, kann auf diese Weise eine genauere Charakterisierung des Kollisionsgegners durchgeführt werden, die eine präzisere Ansteuerung von Rückhaltemitteln erlauben. Dabei kann seine Steifigkeits-Deformationscharakteristik auf folgendem Weg berechnet werden:
Zusätzlich oder alternativ zu den beschriebenen Verfahren, lässt sich die initiale Deformationsgeschwindigkeit als Näherung für die Crashgeschwindigkeit und damit als ein Parameter der für die Ansteuerung der Rückhaltemittel notwendigen Crashschwerebestimmung heranziehen.
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Daher umfasst eine weitere alternative Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens, dass basierend auf der Anstiegsgeschwindigkeit des Verlaufs der ermittelten, eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte eine Abschätzung der initialen Crashgeschwindigkeit ermittelt werden kann. Diese Ausführungsform basiert auf der Erkenntnis, dass sich im Falle einer Kollision während der Deformation des Fahrzeugs die ermittelten Wertverläufe im Wesentlichen an der Kraft-Weg-Charakteristik der an der Kollision beteiligten Bauteile orientiert. Alle Kraft-Weg-Charakteristiken haben gemein, dass zu Beginn einer Kollision der ermittelte Wertverlauf einen Anstieg der Kraft darstellen wird. Die Geschwindigkeit mit der die Kraft-Weg-Charakteristik durchfahren wird, hängt dabei mit der Crashgeschwindigkeit zusammen.
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Dabei wird es so sein, dass der anfängliche Anstieg der ermittelten Werte bei einer Kollision mit geringerer Geschwindigkeit eher langsam erfolgt, bei hoher Geschwindigkeit wird der Anstieg schnell erfolgen. Wenn die Form des Anstiegs der Werte durch eine Gerade angenähert wird, wird die Steigung dieser Geraden mit zunehmender Anfangsgeschwindigkeit immer höher. Durch Bestimmung der Steigung dieser Geraden und Vergleich mit Referenzwerten für verschiedenen Crashgeschwindigkeiten welche in einer Tabelle hinterlegt sind, lässt sich eine unabhängige Bestimmung der initialen Crashgeschwindigkeit durchführen
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In einer weiteren Ausführungsform des vorliegenden Verfahrens werden die Rückhaltemittel abhängig von den ermittelten, ein auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wert und den erfassten eine Beschleunigung auf das Fahrzeug repräsentierenden Wert angesteuert.
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Diese Ausführungsform basiert auf der Erkenntnis, dass sich das erfasste Beschleunigungssignal aus mehreren Anteilen zusammensetzt, wobei einer der Anteile proportional zu der Schwerpunktbeschleunigung, ein anderer Teil proportional zu der ersten Ableitung der auf das Fahrzeug wirkenden Kraft nach der Zeit ist. Zusätzlich existieren noch andere Anteile, die proportional zu der Ableitung der auf das Fahrzeug wirkenden Kraft nach der Zeit sind, aber zeitlich weiter verschoben und mit veränderten Amplituden. Durch Subtraktion der ermittelten Schwerpunktbeschleunigung von den erfassten Beschleunigungswerten wird eine neue Messreihe erzeugt, deren Amplituden im Wesentlichen proportional zu der ersten Ableitung der auf das Fahrzeug wirkenden Kraft nach der Zeit sind. Wie vorstehend ausgeführt ist, wirkt sich eine Erhöhung der (initialen) Crashgeschwindigkeit direkt als Erhöhung der initialen Anstiegsgeschwindigkeit des Signals ermittelten eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierende Signal bzw. Wert aus. Genau diese Anstiegsgeschwindigkeit wird aber durch den Ausdruck der ersten Ableitung der auf das Fahrzeug wirkenden Kraft nach der Zeit beschrieben. Die Amplitude dieser Ableitung steht damit in direkter Beziehung zur Crashgeschwindigkeit.
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Demnach lässt sich die Crashgeschwindigkeit gemäß einem Verfahren, das folgende Schritte umfasst bestimmen:
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Ablauf:
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- 1. Ermitteln eines eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wertes aus mindestens einem erfassten Beschleunigungssignal
- 2. Ableiten eines eine Schwerpunktbeschleunigung des Fahrzeug repräsentierenden Wertes von dem eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Wert
- 3. Bestimmen einer Differenz zwischen dem mindestens einen erfassten Beschleunigungssignal und der abgeleiteten eine Schwerpunktbeschleunigung des Fahrzeugs repräsentierenden Wert
- 4. Bestimmen eines eine Crashgeschwindigkeit repräsentierenden Werts, insbesondere mittels einer vorbestimmten Zuordnung von der bestimmten Differenz zu einem eine Crashgeschwindigkeit repräsentierenden Wert
- 5. Ansteuern der Rückhaltemittel zusätzlich abhängig von dem bestimmten, eine Crashgeschwindigkeit repräsentierenden Wert.
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Dieses Verfahren ist insbesondere für Deformationsstrukturen aus Werkstoffen wie z.B. kohlefaserverstärkte Kunststoffe geeignet, da es, bis auf den ersten Anstieg der Kraft-Weg-Charakteristik, keine weiteren Signalmerkmale zur Bestimmung der Crashgeschwindigkeit benötigt.
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Im Folgenden werden weitere Ausführungsformen und Ergänzung zu dem vorliegenden Verfahren beschrieben.
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Es kann sinnvoll sein, statt der Kraft-Weg-Charakteristiken, die die Kraft-Verläufe bei Teilüberdeckung bzw. voller Überdeckung beschreiben, Kraft-Weg-Charakteristiken vorzusehen, die veränderte Crashgeometrien bzw. Crashtypen, wie Winkelkollisionen (bspw. RCAR 10°), beschreiben. Der vorliegende Crashtyp wird dadurch näher bestimmt, dass für die weitere Auswertung diejenige Kraft-Weg-Charakteristik verwendet wird, die über ein geeignetes Ähnlichkeitsmaß die größte Übereinstimmung mit den erfassten und bestimmten Wert bzw. Werteverläufen aufweist.
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Die initiale Kollisionsgeschwindigkeit v_0 kann auch aus vorausschauender Sensorik bestimmt werden. Sie wird dann in analoger Form wie beschrieben verwendet.
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Optional kann auch ein gewichteter Mittelwert zwischen ermittelter, initialer Crashgeschwindigkeit v_0 und mittels vorausschauender Sensorik bestimmten initialen Crashgeschwindigkeit berechnet werden, wobei die Gewichtungsparameter proportional zur Güte der Daten sind.
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Optional kann das Verfahren auch zur Misuse-Erkennnung verwendet werden.
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Unter Misuse wird vorliegend der Fall verstanden, dass weniger leistungsfähige Verfahren eine auslöserelevante Kollision erkennen, obwohl in Realität kein auslöserelevantes Kollisionsereignis vorliegt.
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Erfolgt die Zuordenbarkeit der ermittelten eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werte zu einer Kraft-Weg-Charakteristik unterhalb einer vorbestimmten Güte, ist dies ein starker Hinweis, dass ein Misuse-Ereignis vorliegt. In diesem Fall erfolgt durch das vorliegende Verfahren keine Ansteuerung der Rückhaltemittel bzw. kann das Verfahren dazu verwendet werden, eine Aktivierung der Rückhaltemittel zu verhindern.
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Alle beschriebenen Verfahren lassen sich sinngemäß auch auf andere Unfallsituation wie z.B. Heckcrash und Seitencrashs anwenden.
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Hauptbestandteil der Erfindung ist ein physikalisches Modell, welches die zeitlich variierende Deformationskraft, die in Folge einer Kollision auf das Fahrzeug wirkt, mit einem an einem Sensoreinbauort im Fahrzeug gemessenen Beschleunigungssignal verknüpft. Durch Anwendung dieses Modells lassen sich damit einerseits aus den bekannten Kraft-Deformationscharakteristiken der verwendeten Bauteile die zu erwartenden fahrzeug- und einbauort-spezifischen Beschleunigungssignale vorhersagen, andererseits lässt sich aus einer gemessenen Beschleunigung in Echtzeit die auf das Fahrzeug wirkende Kraft mit hoher Genauigkeit bestimmen. Diese Informationen lassen sich dann nach der vorliegenden Erfindung verwenden, um in vorteilhaften Ausgestaltungen des Verfahrens aus den auslöserelevanten physikalischen Größen den Überdeckungsgrad der Kollision, die Crashgeschwindigkeit, die Deformationsgeschwindigkeit und die Steifigkeit des Gegners zu bestimmen.
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Daraus lässt sich die Ansteuerung der Rückhaltemittel ableiten.
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Unter Crashgeschwindigkeit wird überlicherweise die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen zwei kollidierenden Objekten verstanden.
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Unter Steifigkeit des Kollisionsgegners kann vorliegend das Kraftniveau bzw. der exakte Kraftverlauf bzw. eine die Härte der Deformationszone beschreibende Größe verstanden werden.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass die Kraft-Zeit-Charakteristik in einem direkten Zusammenhang mit der Kraft-Deformations-Charakteristik steht. Abhängig von der Deformationsgeschwindigkeit Vdefo wird zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Deformationstiefe erreicht und damit die nach der durch die beteiligten Bauteile vorbestimmte Kraft der Kraft-Weg-Charakteristik zur Wirkung gebracht. Die Deformationsgeschwindigkeit Vdefo hängt dabei von der Crashgeschwindigkeit VCrash und der Beschaffenheit (d.h. u.a. Steifigkeit) des Kollisionsgegners ab.
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Im Folgenden werden Einzelheiten des Modells und insbesondere die Grundlagen des der vorliegenden Erfindung zugrunde liegenden Modells mittels Zeichnungen verdeutlicht.
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1 zeigt eine Darstellung eines der vorliegenden Erfindung zu Grunde liegenden Modells
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2 zeigt mehrere Graphen
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3 zeigt einen Graphen
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4 zeigt weitere Graphen
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5 zeigt einen Graphen
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6 zeigt ein Ablaufdiagramm
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1 zeigt eine Darstellung eines der vorliegenden Erfindung zu Grunde liegenden Modells.
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Ein der vorliegenden Erfindung zu Grunde liegendes Modell zerlegt das eigene Fahrzeug (Fahrzeug ego) gedanklich in zwei Komponenten.
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Die erste Komponente besteht überwiegend aus der Deformationszone A bzw. der Crashzone, in der durch Kontakt mit einem Kollisionsgegner opp (z.B. im Crashtest eine Barriere, im realen Unfallgeschehen ein Hindernis, anderes Fahrzeug oder ein Kollisionsgegner) eine vorwiegend plastische Deformation stattfindet. Diese Deformationszone A hat konstruktionsbedingt, in modernen Fahrzeugen i. A. eine nur gering variierende Kraft-Weg-Charakteristik F(s), wobei s die Deformationstiefe bezeichnet. In üblichen Fahrzeugkonstruktionen entspricht diese Zone z.B. den Baugruppen „Crashbox“ oder „Deformationselement“. Die zweite Komponente besteht aus dem Restfahrzeug B, welches unter den während eines Unfalls auftretenden Lasten überwiegend elastische Deformationen erfährt. An einer beliebigen, aber festgelegten Stelle dieser Komponente befindet sich eine Erfassungseinrichtung S, bspw. ein Beschleunigungssensor.
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Findet nun eine Kollision statt, wird die Deformationszone A mit einer von der Kollisionsgeschwindigkeit VCrash und der Beschaffenheit des Kollisionsgegners opp abhängigen Deformationsgeschwindigkeit Vdefo deformiert und damit eine zeitabhängige Kraft F(t) erzeugt, welche auf die zweite Komponente B, das Fahrzeug ego einwirkt.
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Diese Einwirkung führt in der zweiten Komponente B zu einer sich räumlich ausbreitenden Welle. Das Beschleunigungssignal, welches sich durch die zweifache zeitliche Ableitung der Verschiebung u(x, t) ergibt, lässt sich mit Hilfe der wirkenden Kraft F(t) durch die Beziehung
darstellen (x = 0 bezeichnet den Ort der Krafteinwirkung). c ist dabei die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle, E und A sind Materialparameter. Der Ausdruck c/(E·A) kann durch eine fahrzeug- und einbauortabhängige Konstante ersetzt werden und beispielsweise als k
0 bezeichnet werden.
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Trifft nun diese sich ausbreitende Welle auf Inhomogenitäten im Ausbreitungspfad, so kommt es zu Reflexionseffekten. Abhängig von der Beschaffenheit der Inhomogenität wird die ganze oder ein Teil der Welle reflektiert, wobei sich wiederum in Abhängigkeit der Beschaffenheit der Inhomogenität das Vorzeichen der Reflexion gegenüber der ursprünglichen Welle ändern oder gleichbleiben kann. Solche Stellen der Inhomogenität im Fahrzeug ego sind typischerweise der Übergang des Längsträgers zur Fahrgastzelle oder der Bereich in der Struktur, an dem sich Knicke oder Sicken befinden. Auch Stellen mit großem Masseunterschied wirken als solche, ebenso das Erreichen des Endes eines entsprechenden Lastpfades.
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Aufeinanderfolgende Inhomogenitäten führen entsprechend zu mehreren Reflexionen des Signals. Die Veränderung des reflektierten Signals gegenüber dem ursprünglichen kann durch einen Faktor k beschrieben werden, wobei k die Veränderung der Amplitude (Höhe und Vorzeichen) der Welle angibt.
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Verschiedene Reflexionen bestehen entsprechend aus einzelnen Wellenzügen mit entsprechenden beschreibbar durch Faktoren k1 bis kn.
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Da die reflektierten Wellen einen anderen (weiteren) Weg zurücklegen als die erste, direkt erzeugte Welle nach vorstehender Beziehung, muss zusätzlich noch einem Zeitunterschied ∆tn Rechnung getragen werden, der die Zeitverzögerung gegenüber der wirkenden Kraft beschreibt. Zusätzlich zu der beschriebenen Wellenausbreitung kann das gemessene Beschleunigungssignal noch eine Komponente enthalten, welche proportional zu der wirkenden Kraft ist (nach dem zweiten newtonschen Gesetz; a = F/m). Diese lässt sich als Schwerpunktbeschleunigung interpretieren, der Fahrzeugschwerpunkt in Folge der Kollision erfährt.
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Damit lautet die abschließende Beschreibung des Beschleunigungssignals, in Abhängigkeit von der wirkenden Kraft F(t), für ein bestimmtes Fahrzeug an einem bestimmten Einbauort erfasst: a(t) = k0F(t – Δt0) + k1F .(t – Δt1) + k2F .(t – Δt2) + k3F .(t – Δt3) + ...
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Ist die Kraft F(t) gegeben und sind die Modellparameter k0 bis kn sowie die korrespondierenden ∆t0 bis ∆ tn bekannt, lassen sich direkt die zu erwartenden Beschleunigungssignale berechnen.
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Die Gleichung lässt sich auch nach der Größe F(t) auflösen. Ist das Beschleunigungssignal a(t) gegeben und sind die Modellparameter k0 bis kn sowie die korrespondierenden ∆t0 bis ∆ tn bekannt, lässt sich die Gleichung nach F(t) auflösen und damit die Kraft F(t) berechnen. Aus der Anwendung dieser Gleichung und der Ermittlung der Größe F(t) lassen sich dann relevante Parameter zur Ansteuerung von Rückhaltemittel bestimmen.
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2 zeigt mehrere Graphen, die den Zusammenhang zwischen den erfassten eine Beschleunigung repräsentierenden Werte, der dazu korrespondierenden eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierende Werte sowie der dazu korrespondierenden Deformationstiefe verdeutlichen.
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Der mit A gekennzeichnete Graph zeigt eine vereinfachte Kraft-Deformationscharakteristik. Auf der Abszisse ist die Deformationstiefe s aufgetragen und auf der Ordinate die der Deformationstiefe zugeordnete Kraft, die auf das Fahrzeug wirkt. Diese Zuordnung kann experimentell oder rechnerisch ermittelt werden und liegt dem vorliegenden Verfahren vor.
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Der mit B gekennzeichnete Graph zeigt einen beispielhaften aus erfassten Beschleunigungen ermittelten auf das Fahrzeug wirkenden Kraftverlauf. Da es sich bei der Kraft-Deformationscharakteristik um eine streng monoton steigende Funktion handelt, lässt sich mit Hilfe der Kraft-Zeit-Charakteristik und der Kraft-Deformationscharakteristik zu jeder Deformationstiefe s1, s2, s4, s5 ein korrespondierender Zeitpunkt t1, t2, t4, t5 zuordnen.
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Auffällig an dem beispielhaften Kraft-Zeit-Verlauf ist das ermittelte Plateau.
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Dieses Plateau zeigt an, dass sich die auf das Fahrzeug wirkende Kraft in diesem Intervall nicht verändert hat. Da aber die Kraft-Weg-Charakteristik streng monoton steigend ist, kann daraus gefolgert werden, dass die Deformation des eigenen Fahrzeugs nicht weiter fortgeschritten ist. Demnach ist in diesem Intervall nicht das Fahrzeug ego, sondern der Kollisionsgegner opp deformiert worden.
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Aus der Zuordnung des ermittelten Kraft-Zeit-Verlaufs zu der Kraft-Weg-Charakteristik ergibt sich der mit C gekennzeichnete Graph, der einen Deformationsweg-Zeit-Verlauf darstellt.
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Der mit römisch I gekennzeichnete Graph zeigt einen Deformationsgeschwindigkeit-Zeit-Verlauf basierend auf dem ermittelten Deformationsweg-Zeit-Verlauf. Aus diesem Graph ist ebenfalls deutlich abzulesen, dass innerhalb des Intervalls zwischen t2 und t3, in dem die ermittelte auf das Fahrzeug wirkende Kraft ein Plateauverlauf abnimmt, keine Deformationsgeschwindigkeit vorliegt, sprich das eigene Fahrzeug ego mit der Deformationsgeschwindigkeit Vdefo = 0 deformiert wird. Der Deformationsgeschwindigkeits-Zeit-Verlauf beginnt mit einer Geschwindigkeit V0, die auch als Crash- oder Kollisionsgeschwindigkeit bezeichnet wird.
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3 zeigt einen Graphen, der den Beitrag des Kollisionsgegners opp F_opp im Kraftverlauf darstellt. Bis zum Zeitpunkt t2 ist das Kraftniveau der Struktur im Fahrzeug ego geringer, weswegen in diesem Zeitbereich nur das Fahrzeug ego deformiert. In dem Intervall t2 bis t3, indem in dem Fahrzeug ego der Verlauf der wirkenden Kraft ein Plateau bildet, ist das Kraftniveau der Struktur des Kollisionsgegners opp geringer als das Kraftniveau der Struktur des Fahrzeugs ego, weswegen in diesem Zeitbereich der Kollisionsgegner opp deformiert.
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4 zeigt weitere Graphen. Der mit römisch II gekennzeichnete Graph zeigt ebenfalls einen Geschwindigkeits-Zeit-Verlauf für dasselbe Ereignis, allerdings mit einem anderen Verfahren berechnet: Hier wird von der Kollisionsgeschwindigkeit V0 sukzessive der erfasste Geschwindigkeitsabbau dV abgezogen. Der abgezogene Geschwindigkeitsabbau dV wird aus den ermittelten eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierenden Werten gewonnen. Dabei werden die ermittelten Werte durch die Masse des eigenen Fahrzeugs geteilt, um so auf die Schwerpunktbeschleunigung zu gelangen. Diese Werte werden dann integriert oder aufsummiert und dann von der zuvor ermittelten Crashgeschwindigkeit V0 abgezogen.
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Der mit römisch II – I gekennzeichnete Graph zeigt den resultierenden Graphen, wenn von dem Verlauf gemäß dem Graphen II (4) der Verlauf gemäß dem Graphen I (2) subtrahiert wird. Der dargestellte Verlauf gibt die Deformationsgeschwindigkeit Vdefo,opp des Kollisionsgegners opp wieder.
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Aus der Integration der Deformationsgeschwindigkeit Vdefo,opp des Kollisionsgegners opp ergibt sich die Deformationstiefe sdefo,opp des Kollisionsgegners opp.
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Aus dem Deformationstiefe-Zeit-Verlauf des Kollisionsgegners opp und der Kenntnis über die auf den Kollisionsgegner opp wirkende Kraft (Graph der 3) lässt ich eine Kraft-Weg-Charakteristik des Kollisionsgegners opp ermitteln.
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Eine solche Charakteristik ist als Graph dargestellt in 5 zu sehen.
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6 zeigt ein Ablaufdiagramm des vorliegenden Verfahrens 600. Im Verfahrensschritt 601 wird zu einem ersten Zeitpunkt t ein eine Beschleunigung repräsentierender Wert a(t) erfasst.
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Im Verfahrensschritt 602 wird aus dem eine Beschleunigung repräsentierenden Wert ein eine auf das Fahrzeug wirkende Kraft repräsentierender Wert (F(t) ermittelt.
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Im Verfahrensschritt 603 werden Rückhaltemittel RHS abhängig von dem ermittelten eine auf das Fahrzeug ego wirkende Kraft repräsentierenden Wert F(t) bzw. von einem von diesem Wert abgeleiteten Wert angesteuert.