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Die Erfindung betrifft ein System zum flexiblen Betreiben einer Automatisierungsanlage der Automatisierungstechnik.
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In der Prozess- ebenso wie in der Fabrikautomatisierungstechnik werden vielfach Feldgeräte eingesetzt, die zur Erfassung und/oder Beeinflussung von Prozessgrößen dienen. Zur Erfassung von Prozessgrößen dienen Messgeräte, wie beispielsweise Füllstandsmessgeräte, Durchflussmessgeräte, Druck- und Temperaturmessgeräte, pH-Messgeräte, Leitfähigkeitsmessgeräte, usw., welche die entsprechenden Prozessgrößen Füllstand, Durchfluss, Druck, Temperatur, pH-Wert bzw. Leitfähigkeit erfassen. Zur Beeinflussung der Prozessgrößen werden Aktoren verwendet, wie Ventile oder Pumpen, über die z.B. der Durchfluss einer Flüssigkeit in einer Rohrleitung oder der Füllstand eines Mediums in einem Behälter geändert wird. Unter dem in Verbindung mit der Erfindung verwendeten Begriff ’Feldgerät’ sind somit alle Typen von Messgeräten und Aktoren zu subsumieren.
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Als Feldgeräte werden darüber hinaus in Zusammenhang mit der Erfindung auch alle Geräte bezeichnet, die prozessnah eingesetzt werden und die prozessrelevante Informationen liefern oder verarbeiten. Neben den zuvor genannten Messgeräten/Sensoren und Aktoren werden als Feldgeräte allgemein auch solche Einheiten bezeichnet, die direkt an einem Feldbus angeschlossen sind und zur Kommunikation mit der übergeordneten Einheit dienen, wie z.B. Remote I/Os, Gateways, Linking Devices und Wireless Adapter bzw. Funkadapter. Eine Vielzahl solcher Feldgeräte wird von der Endress + Hauser-Gruppe hergestellt und vertrieben. In modernen Automatisierungsanlagen erfolgt die Kommunikation zwischen zumindest einer auf der Steuerungsebene angeordneten Steuereinheit und den Feldgeräten in der Regel über zumindest ein Bussystem, wie beispielsweise Profibus®, Foundation Fieldbus® oder HART®. Die Bussysteme können sowohl drahtgebunden als auch drahtlos ausgestaltet sein. Die zumindest eine übergeordnete Steuereinheit dient zur Prozesssteuerung, zur Prozessvisualisierung, zur Prozessüberwachung sowie zur Inbetriebnahme und Bedienung der Feldgeräte und wird auch als Konfigurier-/Managementsystem bezeichnet. Auf der Feldebene sind die Feldgeräte mit zumindest einer PLC verbunden. Oftmals sind mehrere PLCs in Reihenschaltung zusammengeschaltet. Die bekannten Automatisierungssysteme sind hierarchisch aufgebaut und weisen eine statische Struktur auf.
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Der Nachteil einer statischen bzw. fixen Verdrahtung ist darin zu sehen, dass keine Flexibilität in der Struktur und im Datenaustausch gegeben ist. Der Zugriff auf die Feldgeräte ist nur indirekt möglich, da die Feldgeräte üblicherweise fix zusammengeschaltet sind. Die zumindest eine PLC bildet einen zentralen „Knotenpunkt“ und stellt somit einen Single Point of Failure dar. Dies kann die Verfügbarkeit der Automatisierungsanlage erheblich einschränken.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein System der Automatisierungsanlage flexibel zu gestalten.
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein System mit zumindest einem Rechner und einer Vielzahl von Feldgeräten zur Bestimmung und/oder Überwachung von physikalischen oder chemischen Prozessgrößen, wobei der zumindest eine Rechner und die Feldgeräte netzwerkfähig ausgestaltet und über ein Netzwerk miteinander verbunden bzw. verbindbar sind, wobei jedem Rechner und jedem Feldgerät eine eindeutige Adresse in dem Netzwerk zugeordnet bzw. zuordenbar ist und wobei die Kommunikation über ein definiertes Netzwerkprotokoll erfolgt, wobei dem netzwerkfähigen Rechner bzw. den netzwerkfähigen Rechnern zumindest ein Anlagemodell zugeordnet ist, das die Anlagetopologie, die Anlagefunktion und das Zusammenwirken der Feldgeräte untereinander und mit dem zumindest einen Rechner virtuell abbildet, wobei das Anlagemodell so ausgestaltet ist, dass es flexibel an unterschiedliche Anlagetopologien, unterschiedliche Anlagefunktionen und/oder ein unterschiedliches Zusammenwirken der Feldgeräte untereinander und mit dem zumindest einen Rechner adaptierbar ist, und wobei der zumindest eine Rechner über das Anlagemodell die Automatisierungsanlage entsprechend der aktuellen Anlagetopologie, der aktuellen Anlagefunktion und/oder dem aktuellen Zusammenwirken der Feldgeräte untereinander und mit dem zumindest einen Rechner steuert.
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Alle Feldgeräte (Aktoren, Sensoren) sind direkt über ein Netzwerk (z.B. TCP/IP, WLAN, Ethercat, Ethernet/IP, ModbusTCP, ProfiNET, ...) mit zumindest einem in der Cloud angeordneten Rechner verbunden bzw. verbindbar. Jedes der Feldgeräte hat eine eineindeutige Adresse und ist so ausgestattet, dass es das Netzwerkprotokoll beherrscht. Unter dem Begriff “Cloud“ wird im Zusammenhang mit der Erfindung ein üblicherweise redundanter Verbund von Rechnern verstanden, der über ein internes oder externes Netzwerk und eine Standard-IT-Infrastruktur verfügt. Das erfindungsgemäße System bietet erhöhte Sicherheit und Flexibilität gegenüber einem Hardwareausfall.
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Mit den Rechnern der Cloud verbundene Feldgeräte können die von ihnen generierten Daten bzw. Messwerte entweder automatisch zyklisch versenden, oder die Feldgeräte liefern die Daten bzw. Messwerte über eine klassische Request/Reply-Kommunikation via Polling an die Rechner ab.
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Das erfindungsgemäße Anlagesystem wird virtualisiert über ein Anlagemodell in der Cloud abgebildet. Das Anlagemodell entspricht der Anlagestruktur und der Anlagefunktion und definiert das Zusammenspiel der Feldgeräte. Das Anlagemodell ist ein Softwaremodell, das in der Cloud ausgeführt wird. Eine Anlage wird modellbasierend geplant und als Softwaremodell ausgeführt.
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Die Cloud stellt Rechen- und Speicherkapazität für die Ausführung des Anlagemodells zur Verfügung.
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Jedes Modell der Anlage besitzt u.U. auch weitere Eigenschaften. So können die Anlagefunktionalität und die Verschaltung bzw. das Zusammenspiel der einzelnen Feldgeräte in weiten Grenzen variiert werden. Hierdurch kann die Anlage optimiert und an veränderte Anforderungen an die Anlage und in der Anlage angepasst werden. Beispielsweise können Anpassungen Änderungen der Produkteigenschaften oder der Produktaustoßmenge widerspiegeln. Es kann weiterhin eine Anpassung an geänderte Energietarife während unterschiedlicher Tageszeiten durchgeführt werden, ausgefallene Anlageteile können durch ggf. vorhandene gleichwertige redundante Anlageteile ersetzt werden, usw. Bei einem Wechsel des Anlagemodells ist es u.U. notwendig, die Feldgeräte neu zu parametrieren.
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Durch die Erfindung lässt sich die Automatisierungsanlage wesentlich leichter skalieren, d.h. die Anlage lässt sich durch zusätzliche Feldgeräte erweitern, da die Anlagetopologie unabhängig ist von der darunterliegenden Netzwerkstruktur. Dies ist im Stand der Technik nicht möglich, da an eine Steuerung nur eine definierte, maximal mögliche Anzahl von Feldgeräten angeschlossen werden kann. Wird diese maximal mögliche Anzahl überschritten, muss eine zusätzliche Steuerung eingesetzt werden. Die Verarbeitungskapazität der Rechner in der Cloud lässt sich ebenfalls ohne Umstrukturierungsmaßnahmen in der Anlage nahezu beliebig erweitern und somit an wachsende Anforderungen anpassen. Der komplette Kontext der Anlage, d.h. alle angeschlossenen Sensoren, Aktoren, deren Verschaltung und Funktionalität, ist zu jedem Zeitpunkt uneingeschränkt zugänglich und bekannt, da die Anlage – anders als in hierarchisch konzipierten Anlagen – hierarchisch flach ausgestaltet ist.
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Die erfindungsgemäße Lösung bietet mehrere Vorteile gegenüber einer bekannten statischen Lösung:
- – Mittels der erfindungsgemäßen Lösung ist es möglich, eine Automatisierungsanlage an unterschiedliche in einer Anlage ablaufende Prozesse anzupassen, da das erfindungsgemäße System einfach und flexibel an den jeweiligen Anwendungsfall angepasst werden kann.
- – Die Anlage kann bezüglich des Energieverbrauchs, der Abfallreduktion bzw. der Ausbeute und bezüglich der Geschwindigkeit, mit der ein Prozess in der Anlage abläuft, optimal angepasst werden. Beispielsweise ist es möglich, den kostengünstigeren Nachtstromtarif zu nutzen, indem die Produktionsgeschwindigkeit zur Nachtzeit erhöht wird. Unter Prozess sind übrigens alle in der Industrie gängigen Prozesse zu verstehen, z.B. Herstellungsprozesse, Fermentationsprozesse, Abfüllprozesse, usw.
- – Die erfindungsgemäße Lösung ist in hohem Maße sicher gegen Ausfall.
- – a) Fällt ein Messgerät aus, so wird der entsprechende Messwert aus einer alternativen, gleichwertigen Quelle bezogen. Beispielsweise wird beim Ausfall eines Temperatursensors die Anlagestruktur so umgestaltet, dass ein in der Anlage befindlicher alternativer Temperatursensor aus einem anderen Messsystem, z.B. einem pH-Sensor oder einem Durchflusssensor, die notwendigen Temperaturmesswerte liefert.
- – b) Fällt ein Anlageteil aus, so kann seine Funktion von einem redundanten Anlageteil übernommen werden.
- – Da z.B. ein Messwert von verschiedenen gleichwertigen Messgeräten geliefert wird, ist es möglich, in der Anlage eine Advanced Diagnostics auszuführen.
- – Die Anlage besitzt eine hohe Variabilität. Insbesondere ist es möglich, in der Anlage unterschiedliche Produkte, z.B. ein Produkt A und ein Produkt B herzustellen, da das System an den Herstellungsprozess unterschiedlicher Produkte angepasst werden kann.
- – Die Anlage kann jederzeit durch Hinzufügen neuer Feldgeräte und durch Erhöhung der Ressourcen des Rechnerverbunds skaliert bzw. erweitert werden.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Systems sieht mehrere Rechner, also einen Rechnerverbund vor, wobei die Rechner redundant und/oder diversitär ausgestaltet sind und wobei die Rechner redundant oder in Kombination miteinander arbeiten.
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Darüber hinaus ist es möglich, eine diversitäre und/oder redundante Signalverarbeitung in der Cloud zu betreiben. Insbesondere können z.B. zwei getrennte Signalverarbeitungen eines Feldgeräts in der Cloud durchgeführt werden. Alternativ kann eine Signalverarbeitung von einem intelligenten Feldgerät und einer weiteren diversitären Signalverarbeitung in der Cloud ausgeführt werden. Die Ausgänge der beiden redundanten und/oder diversitären Signalverarbeitungen werden anschließend mittels eines Entscheiders verglichen. Im Falle einer signifikanten Abweichung wird eine Fehlermeldung generiert. Erfindungsgemäß lassen sich beliebige Sicherheitsstandards in einer Automatisierungsanlage realisieren.
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Redundanz bedeutet erhöhte Sicherheit durch doppelte oder mehrfache Auslegung aller sicherheitsrelevanter Hard- und Software-Komponenten. Diversität bedeutet, dass die für die Messwertaufbereitung zuständigen Hardware-Komponenten, wie z.B. ein Mikroprozessor, von unterschiedlichen Herstellern stammen und/oder dass sie von unterschiedlichem Typ sind. Im Falle von Software-Komponenten erfordert die Diversität, dass die in den Rechnern gespeicherte Software aus unterschiedlichen Quellen, sprich von unterschiedlichen Herstellern bzw. Programmierern stammt.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemäßen Systems ist vorgesehen, dass für den Fall, dass in der Automatisierungsanlage z.B. ein Produktionsprozess oder ein Abfüllprozess abläuft, der zumindest eine Rechner die Produktionsgeschwindigkeit durch Adaption der aktuellen Anlagefunktionen und/oder des aktuellen Zusammenwirkens der Feldgeräte untereinander und mit dem zumindest einen Rechner so steuert, dass der Energieverbrauch der Automatisierungsanlage optimiert ist.
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In Kombination oder alternativ wird vorgeschlagen, dass für den Fall, dass in der Automatisierungsanlage ein Produktionsprozess abläuft, der zumindest eine Rechner den Ablauf Produktionsprozesses so steuert, dass die Ausbeute der erzeugten Produkte maximal ist und/oder dass die Menge an anfallenden Abfallprodukten minimal ist. Mit beiden zuvor genannten Ausgestaltungen lässt sich die Produktivität einer Automatisierungsanlage optimieren.
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Im Hinblick auf Predictive Maintenance, also Vorausschauende Wartung, und Advanced Diagnostics, also Generierung von Zusatzinformation, z.B. Lebensdauer des Feldgeräts, aus Diagnosedaten, erkennt der zumindest eine Rechner anhand der Diagnosedaten Fehlfunktionen und/oder vorhersehbare oder tatsächliche Ausfälle von fehlerhaften Feldgeräten. Weiterhin überträgt der Rechner bei Erkennen einer Fehlfunktion die Anlagefunktion des fehlerhaft arbeitenden oder ausgefallenen Feldgeräts auf zumindest ein redundantes, dem System gleichfalls zur Verfügung stehendes Feldgerät, das in der Lage ist, die Anlagefunktion des fehlerhaften oder ausgefallenen Feldgeräts zu übernehmen.
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Darüber hinaus ist ein Display an dem Feldgerät oder ein externes Servicetool vorgesehen, über das das Feldgerät gewartet, insbesondere justiert, kalibriert oder verifiziert wird, oder es ist ein mobiles Servicetool vorgesehen, das das Feldgerät über den zumindest einen Rechner wartet, insbesondere justiert, kalibriert oder verifiziert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Feldgeräte zu warten. Unter Wartung wird in diesem Kontext entweder die Justierung (z.B. die Korrektur des Kalibrierfaktors), die Kalibrierung (die Ermittlung der Messabweichung) oder die Verifikation (die Überprüfung der Gerätefunktion) verstanden. Die Cloud kann problemlos um zumindest eine Diagnosefunktionalität erweitert werden. Bevorzugt werden alle verfügbaren Diagnosedaten der Sensoren/Aktoren den Rechnern der Cloud zugeleitet, wodurch es möglich ist, die Diagnosedaten im Gesamtkontext der Anlage zu verarbeiten. Bei den bekannten Systemen zum Betreiben einer Automatisierungsanlage müssen die Diagnosedaten über ein separates Kondition-Monitoring-System definiert und verarbeitet werden.
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In der ersten Variante wird das Gerät vor Ort über ein Display oder ein Service-Tool lokal und somit ohne Verbindung zur Cloud gewartet.
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In der zweiten Variante wird z.B. über ein mobiles Endgerät (z.B. ein Smartphone, einen Laptop oder ein Tablet) beispielsweise die Kalibrierung über die Verbindung zur Cloud realisiert. Hierbei wird die Cloud im ersten Fall als Verbindung zum Feldgerät verwendet; die Kalibrierroutinen laufen hier weiterhin im Feldgerät ab. Im zweiten Fall läuft der komplette Kalibrieralgorithmus inklusive der ggf. zugehörigen Menüführung vollständig in der Cloud ab – und zwar automatisch oder auf manuelle Anforderung hin.
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Als besonders vorteilhaft wird es im Zusammenhang mit der Erfindung angesehen, wenn der zumindest eine Rechner während des Produktionsablaufs zumindest eine Verifikationsphase durchführt und die Information über den verifizierten Produktionsablauf in zumindest einer dem Rechner/den Rechnern zugeordneten Speichereinheit speichert. Da die Anlage über das in der Cloud hinterlegte Anlagemodell Kenntnis über den gesamten Produktionsprozess besitzt, und zwar sowohl über die zu produzierenden Produkte als auch über den zeitlichen Prozessablauf, kann im Produktionsablauf eine automatische Verifikationsphase angestoßen werden. Die entsprechenden Reports können in der Cloud verwaltet werden. Bevorzugt werden sie über Polling durch die Cloud an diese übermittelt.
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Ein hohes Maß an Verfügbarkeit des erfindungsgemäßen Systems lässt sich erreichen, wenn dem netzwerkfähigen Rechner bzw. den netzwerkfähigen Rechnern mehrere Anlagemodelle zugeordnet sind, die die Anlagetopologie, die Anlagefunktion und das Zusammenwirken der Feldgeräte untereinander und mit dem zumindest einen Rechner für unterschiedliche Automatisierungsanlagen und/oder Produktionsprozesse virtuell abbilden, und wobei der Rechner bzw. die Rechner die Produktionsanlage so steuert/steuern, dass ein ausgewähltes Anlagemodell zur Anwendung kommt und der entsprechende Produktionsprozess in der Automatisierungsanlage ablaufen kann.
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Darüber hinaus betrifft die Erfindung ein System, bei dem feldgerätespezifische oder feldgerätetyp-spezifische Treiber für die einzelnen Feldgeräte vorgesehen sind, wobei der zumindest eine Rechner die Feldgeräte über die Treiber so parametriert, dass sie in dem Produktionsprozess und/oder in der Automatisierungsanlage einsetzbar sind, der/die dem ausgewählten Anlagemodell entsprechen/entspricht. Bevorzugt sind die Firmware und/oder die Gerätetreiber der einzelnen Feldgeräte dem zumindest einen Rechner zugeordnet.
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Weiterhin wird vorgeschlagen, dass jedem der Feldgeräte eine Elektronik zugeordnet ist, wobei die Elektronik entweder als Minimalelektronik ausgestaltet ist, die Rohdaten der Feldgeräte zur Verfügung stellt – beispielsweise also elektrische Signale, die die Information über die Prozessgröße beinhalten –, oder die Elektronik ist als Auswerteelektronik ausgestaltet und stellt aufbereitete und/oder ausgewertete Daten zur Verfügung. Für den Fall, dass es sich bei der Elektronik um eine Minimalelektronik handelt, nimmt der zumindest eine Rechner die Aufbereitung und/oder Auswertung der zur Verfügung gestellten Daten vor. Die “Intelligenz“ der Feldgeräte ist in die Cloud verlagert, und die Auswertung der Daten erfolgt in der Cloud.
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Handelt es sich bei dem Feldgerät um ein Feldgerät mit einem analogen Stromausgang, so ist ein Koppler vorgesehen, der das Feldgerät netzwerkfähig macht. Generell ist es möglich, ein klassisches PLC-basiertes Anlagesystem sukzessiv in ein Cloud-basiertes erfindungsgemäßes System zu überführen, in dem Teile der klassisch realisierten Anlage durch netzwerkbasierte Feldgeräte ersetzt werden.
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Für den Fall, dass es sich bei der Elektronik um eine Auswerteelektronik handelt, ist das intelligente Feldgerät in der Lage, die in dem Feldgerät zur Verfügung stehenden Rohdaten und die aufbereiteten und/oder ausgewerteten Daten an den zumindest einen Rechner übermittelt, wobei der Rechner die Rohdaten aufbereitet und/oder auswertet und die zur Verfügung gestellten aufbereiteten und/oder ausgewerteten Daten mit den Daten vergleicht, die vom Rechner aufbereitet und/oder ausgewertet werden. Es besteht somit die Möglichkeit, die von dem Feldgerät übermittelten Daten in der Cloud zu verifizieren.
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Wie bereits erwähnt, können als Feldgeräte klassische Feldgeräte verwendet werden, welche die komplette Signalverarbeitung beinhalten. Im allgemeinen werden derartige Feldgeräte als intelligente (SMART) Sensoren bzw. Aktoren bezeichnet. Ein Beispiel hierfür ist ein Coriolis- oder pH-Transmitter.
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Die Signalverarbeitung von Feldgeräten kann jedoch bei dem erfindungsgemäßen System auch problemlos in die Cloud verlagert werden. Das Feldgerät, z.B. ein Sensor kümmert sich in diesem Fall lediglich um die Ankopplung an die Analogwelt, die digitale Signalverarbeitung findet nicht mehr im Feldgerät selbst, sondern in der Cloud statt. Hierdurch können z.B. verbesserte Diagnose- und Messalgorithmen zum Einsatz kommen, die bisher durch Größenbeschränkungen in der Firmware in den Feldgeräten nicht möglich waren. Die bisher äußerst zeitaufwändigen und komplizierten Firmware Updates der Feldgeräte können durch ein zentrales Update der Software in der Cloud realisiert werden. Die Hardwarekomplexität und damit der Preis der Feldgeräte kann hierdurch ebenfalls reduziert werden. Durch die Aktualisierung der Feldgeräte-Algorithmen in der Cloud kann zudem ein Update während des Betriebs des Feldgeräts realisiert werden. Hierbei wird ein temporärer Parallelbetrieb aus alten und neuen Algorithmen vorgenommen. Sobald die neuen Algorithmen z.B. im Falle eines Sensors einen stabilen Messbetrieb aufweisen, die Einschwingvorgänge also beendet sind, kann von den alten Algorithmen auf die neuen umgeschaltet werden, ohne dass der Messbetrieb unterbrochen werden muss.
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Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Systems ist vorgesehen, dass dem zumindest einen Rechner die Firmware und/oder die Gerätetreiber der einzelnen Feldgeräte in zumindest zwei unterschiedlichen Versionen, einer Erstversion und einer Nachfolgeversion, zugeordnet sind/ist und dass der zumindest eine Rechner die Erstversion während des Betriebs der Automatisierungsanlage durch die Nachfolgeversion ersetzt, sobald die Nachfolgeversion fehlerfrei arbeitet.
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Weiterhin wird vorgeschlagen, dass das Anlagemodell bzw. die Anlagemodelle modular aufgebaut ist/sind und dass im Falle von mehreren Rechnern das modular aufgebaute Anlagemodell bzw. die Anlagemodelle auf die einzelnen Rechner aufgeteilt sind. In einer Ausgestaltung ist z.B. die Softwarestruktur der Cloud modularisiert. Hierdurch kann sich die Cloud-Software-Infrastruktur auf der zur Verfügung stehenden Hardware verteilen und Veränderungen, insbesondere Erweiterungen in den Hardwareressourcen anpassen. Durch die Modularität ergibt sich die Möglichkeit, während des Betriebs einzelne Softwarekomponenten der Cloud auszutauschen, ohne den Normalbetrieb der Anlage zu unterbrechen. Gleiches gilt für die Feldgerätetreiber. Um die Vielfalt von Feldgeräten bedienen zu können, muss – bei Nicht-Vorhandensein eines WebServers – eine Bibliothek bzw. eine Datenbank von Treibern, z.B. von DTMs, vorgehalten werden.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung des erfindungsgemäßen Systems sieht vor, dass das Anlagemodell bzw. die Anlagemodelle auf einem Testsystem entwickelt und mit virtuellen Feldgerätemodellen getestet wird/werden und dass das entwickelte Anlagemodell nach der Testphase auf zumindest eine analog aufgebaute Automatisierungsanlage kopiert bzw. übertragen wird.
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Hat ein Anlagebetreiber mehrere physikalisch identische Anlagen, so ist es möglich, das Anlagemodell auf einer Anlage bzw. auf einer Testanlage zu entwickeln und zu optimieren und anschließend auf die identischen Anlagen durch einen “Kopiervorgang“ zu übertragen. Somit lässt sich eine deutliche Vereinfachung der Anlageinbetriebnahme und der Anlagewartung erreichen.
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Außerdem ist vorgesehen, dass eine Testanlage mit virtuellen Feldgerätemodellen entwickelt, simuliert und getestet wird. Ein auf diese Weise entwickeltes Anlagemodell wird im Anschluss auf eine reale Anlage mittels “Copy&Paste“ übertragen. Erkenntnisse aus dem praktischen Betrieb der Anlage werden anschließend in die Simulation überführt, dort optimiert und erneut in den realen Betrieb der Anlage übernommen. Es wird somit ein iterativer Optimierungsprozess durchgeführt. Zusätzlich können auf diese Weise Worst-Case Szenarien anhand des realen Anlagemodells überprüft und verbessert werden.
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Insbesondere eröffnet sich die Möglichkeit, ein getestetes Anlagemodell bzw. getestete Anlagemodelle einer Automatisierungsanlage auf identische Automatisierungsanlagen zu kopieren bzw. zu übertragen.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung ist das erfindungsgemäße System in ein internes Firmennetzwerk integriert. Für den Fall, dass zumindest teilweise über ein externes frei zugängliches Netzwerk kommuniziert wird, erfolgt die Kommunikation bevorzugt über eine VPN Tunnelstruktur. Um die Zugriffsicherheit zu gewährleisten, ist eine betreiber-interne lokale Cloud zu bevorzugen. Über VPN-Tunnelstrukturen lässt sich die Tunnelstruktur erweitern, so dass sich auch räumlich sehr ausgedehnte Anlagen realisieren lassen. Beispiele sind z.B. Gaspipelines, Windparks, Wasserverteilnetze, usw.
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Als besonders günstig wird es in Verbindung mit der Erfindung angesehen, wenn zumindest in einen Teil der Feldgeräte ein WebServer integriert ist und wenn die Bedienung der Feldgeräte über den Rechner oder über ein mobiles Bedientool erfolgt. Hierdurch lässt sich das Feldgerät einen eigens für die Bedienung hergestellten Gerätetreiber bedienen. Selbstverständlich kann im Falle eines Feldgeräts ohne WebServer die Bedienung alternativ über einen üblichen Gerätetreiber erfolgen.
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Die Erfindung wird anhand der nachfolgenden Figuren näher erläutert. Es zeigt:
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1: eine schematische Darstellung eines aus dem Stand der Technik bekannten Systems zum Betreiben einer Automatisierungsanlage,
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2: eine schematische Darstellung einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Systems zum Betreiben einer Automatisierungsanlage,
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3: eine schematische Darstellung, die verdeutlicht, wie über das erfindungsgemäße System zwei unterschiedliche Automatisierungsanlagen bedient werden können.
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1 zeigt eine schematische Darstellung eines aus dem Stand der Technik bekannten Systems zum Betreiben einer Automatisierungsanlage. Die Automatisierungsanlage dient, wie bereits zuvor erwähnt, beispielsweise der Herstellung eines Produkts, der Abfüllung eines Mediums, der Steuerung einer Kläranlage, usw.
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Bekannte Systeme zum Betreiben einer Automatisierungsanlage sind streng hierarchisch strukturiert. Üblicherweise sind auf der Feldebene je nach Größe der Anlage mehrere Steuerungen PLC A, PLC B angeordnet. Die Kommunikation zwischen den Steuerungen PLC A, PLC B und den an vorhergehender Stelle bereits näher definierten prozessnahen Feldgeräten A, S, die an eine der Steuerungen PLC A, PLC B angekoppelt sind, erfolgt über zumindest einen der in der Automatisierungstechnik gebräuchlichen Feldbusse FB. Eine direkte Kommunikation zwischen den einzelnen Steuerungen PLC A, PLC B ist ausgeschlossen oder zumindest begrenzt möglich.
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Auf der Steuerungsebene liefern die Steuerungen PLC A, PLC B ihre von den Feldgeräten A, S gesammelten Daten und/oder weiterverarbeiteten Messwerte an eine übergeordnete Steuereinheit, z.B. eine SCADA. Üblicherweise wird auf der Steuerungsebene ein High Speed Bus BS, z.B. Industrial Ethernet, zu Kommunikationszwecken eingesetzt. Die Umsetzung zwischen den unterschiedlichen Bussystemen BS, FB erfolgt über ein Gateway G. Aufgrund der fest vorgegebenen Verbindungs- und Kommunikationswege sind die bekannten Systeme wenig flexibel. Auf Änderungen in der Anlagestruktur kann nur – wenn überhaupt – mit viel Aufwand reagiert werden. Üblicherweise muss das System komplett neu aufgesetzt werden.
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2 zeigt eine schematische Darstellung einer Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Systems zum Betreiben einer Automatisierungsanlage. Die Automatisierungsanlage selbst ist in 1 nicht gesondert dargestellt. Es kann sich aber, wie bereits mehrfach gesagt, um eine beliebige industrielle Anlage handeln. Die Überwachung und/oder Steuerung der Anlage erfolgt auch hier über unterschiedliche Feldgeräte A, S. Im gezeigten Fall handelt es sich um Aktoren A und Sensoren S. Die Feldgeräte A, S dienen zur Bestimmung und/oder Überwachung von physikalischen oder chemischen Prozessgrößen. Sensoren für die Prozessautomatisierung werden in unterschiedlichsten Ausgestaltungen von der Anmelderin angeboten und vertrieben.
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Weiterhin weist das System zum flexiblen Betreiben der Automatisierungsanlage mehrere Rechner RE auf. Diese befinden sich in der Cloud und sind über Internet oder ein betreiberinternes Intranet untereinander und mit den Feldgeräten A, S in Kommunikationsverbindung. Die Anzahl der Rechner RE ist abhängig von dem Umfang der durch das zumindest eine Anlagemodell AM vorgegebenen und durchzuführenden Rechen- und Steueroperationen und auch von der gewünschten Verarbeitungsgeschwindigkeit. Sowohl die Rechner RE als auch die Feldgeräte A,S müssen netzwerkfähig ausgestaltet sein. Sie sind über ein Netzwerk – also ein drahtloses oder drahtgebundenes Internet oder Intranet – miteinander verbunden bzw. verbindbar. Jedem Rechner RE und jedem Feldgerät A, S ist eine eindeutige Adresse in dem Netzwerk zugeordnet bzw. zuordenbar. Erfolgt die Kommunikation über ein definiertes Netzwerkprotokoll, beispielsweise TCP-IP, so ist jeder Komponente des Netzwerks eine IP Adresse zugeordnet.
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Weiterhin ist den netzwerkfähigen Rechnern RE zumindest ein Anlagemodell AM zugeordnet. Das Anlagemodell AM ist ein virtuelles Abbild, also ein Software-Abbild, des System zum Betreiben der jeweiligen Automatisierungsanlage, das die Anlagetopologie, die Anlagefunktion und das Zusammenwirken der Feldgeräte S, A untereinander und mit den Rechnern RE ggf. auf der Zeitschiene beschreibt. Das Anlagemodell AM ist so ausgestaltet, dass es flexibel an unterschiedliche Anlagetopologien, unterschiedliche Anlagefunktionen und/oder ein unterschiedliches Zusammenwirken der Feldgeräte A, S untereinander und mit den Rechnern RE adaptierbar ist. Die Rechner RE steuern über das jeweilige Anlagemodell AM die Automatisierungsanlage entsprechend der aktuellen Anlagetopologie, der aktuellen Anlagefunktion und/oder dem aktuellen Zusammenwirken der Feldgeräte A, S untereinander und mit dem zumindest einen Rechner RE. An die Cloud angekoppelte Feldgeräte A, S können die von ihnen generierten Daten bzw. Messwerte entweder automatisch zyklisch versenden oder diese über eine klassische Request/Reply-Kommunikation via Polling durch die Rechner der Cloud an diese abliefern. Oftmals wird in diesem Zusammenhang auch vom Cloud Computing bzw. Rechnen in der Wolke gesprochen. Cloud Computing umschreibt den Ansatz, abstrahierte IT-Infrastrukturen, wie Hardware, Rechenkapazität, Datenspeicher, Netzwerkkapazitäten oder auch Software dynamisch an den Bedarf angepasst über ein Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung der angebotenen Dienstleistungen erfolgt ausschließlich über definierte technische Schnittstellen und Protokolle. Große Teile der IT Infrastruktur werden beim Cloud Computing nicht mehr auf der Seite des Anlagebetreibers vor Ort vorgehalten, sondern sie werden vom Anlagebetreiber bei einem die IT Infrastruktur in der Wolke zur Verfügung stellenden Dienstleister angemietet bzw. zur Verfügung gestellt. Es versteht sich von selbst, dass Betreiber und Dienstleister identisch sein können. Änderungen an dem jeweiligen Anlagemodell können über ein Bedientool BT ausgeführt werden.
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Das erfindungsgemäße Systems ermöglicht es, bei Bedarf flexibel zwischen unterschiedlichen Anlagemodellen AM A, AM B umzuschalten. Gezeigt ist diese Möglichkeit des Umschaltens zwischen zwei unterschiedlichen Anlagemodellen AM A, AM B in 3. Bei dem Model A – AM A – werden drei Rechner RE1, RE2, RE3 benötigt. Zum Betreiben der Automatisierungsanlage sind drei Sensoren S1, S2, S3 und drei Aktoren A1, A2, A3 erforderlich. Der Rechner RE1 ist im gezeigten Fall aktuell mit den Rechnern RE2, RE3 und mit dem Aktor A3 verbunden bzw. verbindbar. Fällt einer dieser beiden Rechner RE2, RE3 aus, so kann der Rechner RE3 ohne weiteres deren Arbeit übernehmen, da auch dem Rechner RE3 das Anlagemodell zugänglich ist. Weiterhin kann der Rechner RE3 bei Bedarf als redundanter, ggf. auch diversitärer Rechner fungieren.
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Der Rechner RE 2 ist in Verbindung mit dem Aktor A1 und den beiden Sensoren S1, S2. Der Rechner RE 3 hat gleichfalls Verbindung zu dem Sensor S2 – wiederum ist hier Redundanz gegeben –, dem Sensor S3 und dem Aktor A2.
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Das Anlagemodell AM B ist von dem Anlagemodel AM A verschieden. Hier werden zwei Rechner RE1, RE3 zum Betreiben der Automatisierungsanlage benötigt. Der Rechner RE1 ist mit dem Sensor S2 und dem zusätzlichen Sensor S4 ebenso wie mit dem Aktor A3 verbunden. Der Rechner RE3 ist laut Anlagemodell AM B in Verbindung mit den Sensoren S2, S3, S4 und dem zusätzlichen Aktor A4. Entweder besteht hier bezüglich der Sensoren S2 und S4 wiederum Redundanz und/oder Diversität, oder aber in jedem Rechner sind einzelne Module der Software zum Betreiben der Anlage abgelegt. Beispielsweise könnte der Rechner RE1 die Rohdaten des Sensors S4 weiterverarbeiten und zu Messwerten aufbereiten, während der Rechner RE3 eine Diagnose an dem Sensor S4 ausführt. Oder beide Rechner RE1, RE3 können die Rohdaten aufbereiten und die Ergebnisse miteinander zwecks Verifizierung vergleichen. Den Anwendungsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Insbesondere sei auf die Möglichkeiten verwiesen, die im Zusammenhang mit der Erfindung bereits zuvor explizit genannt wurden.