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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung cellulosischer Regeneratfasern durch Spinnen aus einer cellulosischen Spinnlösung, der anisotrope Kohlenstoffnanopartikel beigemischt sind, deren Dimension in einer Partikelhauptachse größer ist als in den dazu orthogonalen Partikelnebenachsen, und auf eine insbesondere nach diesem Verfahren hergestellte cellulosische Regeneratfaser.
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Es besteht eine stetig wachsende ökologische Notwendigkeit, Werkstoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe zu verwenden. Gleichzeitig dürfen diese Werkstoffe jedoch in ihren Materialeigenschaften nicht hinter etablierten Werkstoffen aus fossilen Quellen zurückstehen.
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Cellulosische Fasern haben bezüglich ihrer Materialeigenschaften durch verschiedene, stetig verbesserte Verfahren eine Fülle bemerkenswerter Eigenschaftsgrößen erreicht. Dennoch gibt es noch Materialeigenschaften, die bislang mit den etablierten Prozessen nicht erreichbar sind.
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Ein kritischer Faktor bei der Verwendung von cellulosischen Fasern im Bereich mechanisch beanspruchter Werkstücke und Produkte ist die Faserdehnung bei Zugbelastung bzw. der faserspezifische E-Modul.
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Die bislang besten diesbezüglichen Werte für cellulosische Fasern werden mit dem Viskoseverfahren in seiner Ausprägung als Filamentverfahren zur Herstellung hochfester Fasern erreicht.
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Das Viskoseverfahren, wobei Cellulose in Form von qualitativ hochwertigen Zellstoffen über Alkalisierung und Derivatisierung mit CS2 zu Cellulosexanthogenat überführt wird und dieses, gelöst in Natronlauge in einem säurehaltigen Bad, wiederum zur Cellulose regeneriert wird, ist eines der ältesten Verfahren zur Regeneratcelluloseherstellung. Es erlaubt, auch aus nicht spinnbaren Formen von Cellulose Fasern herzustellen und diesen überdies noch besondere Eigenschaften, insbesondere besondere mechanische und morphologische Eigenschaften, zu verleihen, welche bei natürlichen spinnbaren Formen der Cellulose, z. B. den Samenhaaren der Baumwolle, nicht zu finden sind.
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Das Filamentverfahren als Spezialform des Viskoseverfahrens wird angewandt, um endlose, besonders mechanisch feste Cellulosefasern zu erhalten. Diese Fasern werden insbesondere als Bewehrungs- und Verstärkungsmaterial eingesetzt. Ihre Hauptanwendung finden sie im sog. Reifencord, wo sie insbesondere bei besonders hochwertigen Reifen die Stärke und Flexibilität des Reifenmaterials garantieren.
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Die besonderen Festigkeiten und geringen Dehnungskoeffizienten solcher Filamentviskosen entstehen durch die Verwendung von Zellstoffen mit besonders hohen α-Cellulosegehalten, eine besondere Fahrweise der Viskoseherstellung sowie des Spinnens und Verstreckens. Auf diese Weise können verschiedene Qualitäten hergestellt werden, welche für die Verwendung in Reifencord in die Kategorien Super 1 bis Super 3 mit zunehmender Festigkeit eingeteilt werden.
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Eine weitere bedeutende Zunahme der erreichbaren mechanischen Eigenschaften, insbesondere einer weiter verringerten Zugdehnung durch weitere Optimierung des Prozesses und der verwendeten Rohstoffe, ist sehr limitiert, da es sich beim Viskoseverfahren um einen reifen Prozeß handelt, der von seinen Materialeigenschaften weitgehend an die technisch erreichbaren Grenzen stößt.
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In der praktischen Anwendung müssen aus diesem Grund bei Bedarf von Fasern mit erhöhtem Modulus sogenannte Hybridgarne hergestellt werden, welche neben der cellulosischen Faser noch eine Faser mit besonders hohem Modulus enthalten, wobei insbesondere Aramid zur Anwendung kommt. Die Herstellung solcher Hybridfasern ist jedoch aufwendig und kostspielig.
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Kompositwerkstoffe aus Kohlenstoffnanoteilchen, insbesondere CNT (carbon nano tubes), mit Cellulose sind in der Literatur bereits beschrieben. Meist handelt es sich hierbei jedoch um Herstellungsverfahren, die nicht dem Viskoseverfahren folgen, etwa das direkte Lösen von Cellulose in sogenannten ionischen Flüssigkeiten, Dimethylacetamid/LiCl oder in NMMO (Lyocellprozeß).
WO 2008/034 939 A1 betrifft die Herstellung elektrisch leitender Fasern im Viskoseverfahren durch die Beimischung von CNT oder anderen nanoskaligen Kohlenstoffspezies und nutzt hierfür den Effekt, daß die Leitfähigkeit der Werkstoffe mit zunehmend höheren Kohlenstoffgehalten ansteigt, wie es bei der Zugabe von Leitruß seit langem bekannt ist. Dabei sind verhältnismäßig hohe Beimengungen erforderlich. Eine Beeinflussung der mechanischen Eigenschaften wird nicht in Betracht gezogen.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der eingangs genannten Art zu schaffen, durch das cellulosische Regeneratfasern ohne die Notwendigkeit der anschließenden Herstellung von Hybridgarnen erhalten werden können, welche jedoch deren mechanische Eigenschaften erreichen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß die Partikelhauptachsen durch Verstrecken der frisch ersponnenen, noch plastischen Regeneratfasern gemäß einer zur Faserrichtung parallelen Anisotropierichtung ausgerichtet werden.
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Erfindungsgemäß erfolgt die Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, insbesondere die Erhöhung der Zugfestigkeit, durch Zuschlagstoffe. Bei den verwendeten Zuschlagstoffen handelt es sich um spezielle Kohlenstoffmodifikationen, die über neuartige Prozesse gewonnen werden können und deren industrielle Nutzung bislang noch begrenzt ist, sich jedoch in starkem Wachstum befindet. Diese neuartigen Kohlenstoffspezies sind Kohlenstoffnanopartikel, was bedeutet, daß mindestens eine der Partikeldimensionen im nanoskaligen Bereich liegt. Für gewöhnlich wird dieser Bereich durch ein Unterschreiten von Abmessungen größer 100 nm definiert. Diese nanoskaligen Kohlenstoffkörper können grob in drei Gruppen aufgeteilt werden, die Kohlenstoffröhren bzw. -fasern (CNT, carbon nano tubes, mit single walled (SWCNT), double walled (DWCNT) und multi walled (MWCNT) sowie einige weitere spezielle Formen mit z. B. gewundener Erscheinung) mit faserförmiger Ausprägung und einem leicht unterschiedlichem Aspektverhältnis, sphärisch geformte Körper wie Fullerene und planare Kohlenstoffspezies (Graphene), welche ein- und mehrlagig auftreten können.
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All diesen Kohlenstoffmodifikationen ist eigen, daß sie extrem hohe spezifische Festigkeiten besitzen bzw. die höchsten bekannten überhaupt. Diese Eigenschaften können, wenn diese Stoffe einem anderen Material zugemischt werden, in gewissem Umfang auf dieses übergehen. So sind Kompositwerkstoffe möglich, die sich durch hervorragende mechanische Eigenschaften auszeichnen, dies gilt insbesondere für die spezifischen Eigenschaften im Verhältnis zur Dichte des entstehenden Kompositwerkstoffs und tritt bereits bei sehr geringen Beimengungen in meßbarem Umfang auf.
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Entscheidende Voraussetzung für eine solche Eigenschaftsänderung durch Beimischung der genannten Kohlenstoffnanopartikel ist deren möglichst homogene, aggregat- und konglomeratfreie Verteilung in der Matrix. Dies ist umso entscheidender, als bei nanoskaligen Körpern durch deren extrem große spezifische Oberfläche entsprechend starke gegenseitige Anziehungskräfte wirken. Diese Anziehungskräfte bewirken die vermehrte Bildung von Agglomeraten und Konglomeraten, welche eine Vereinzelung der Partikel während der Dispergierung stark erschweren, so daß diese in der Regel nicht mit einfachen mechanischen Rührern erreicht werden kann. Möglichkeiten zur Dispergierung dieser Teilchen bietet die Anwendung von Ultraschall oder besonders starken Scherkräften z. B. in Homogenisatoren. Zumeist bedient man sich der Beimischung verschiedener oberflächenaktiver Substanzen während der Dispersionsherstellung, um diese anschließend auch durch sterische, elektrostatische oder elektrosterische Stabilisierung vor neuerlicher Aggregatbildung zu bewahren. Bleiben größere Gebilde aus nichtvereinzelten Partikeln von Zusatzstoffen in der fertigen Faser erhalten, so können diese die Festigkeitseigenschaften der Fasern durch die Bildung von mechanischen Schwachstellen negativ beeinflussen.
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Die Oberflächen unbehandelter Kohlenstoffpartikel sind in der Regel durch ihren aromatischen Aufbau hydrophob. Dies stellt kein Problem dar, wenn die Partikel einer ebenfalls hydrophoben bzw. aromatisch geprägten Matrix, wie sie etwa in vielen Kunststoffen zu finden ist, beigemengt werden sollen. Ist die gewählte Matrix jedoch von hydrophilem Charakter, wie es bei der Cellulose durch die in ihr enthaltenen OH-Gruppen der Fall ist, so ist dadurch die Einbindung der Partikel in die Matrix und damit auch die jeweilige Kraftübertragung beeinträchtigt. Dadurch kann das verstärkende Potential der Beimischung nicht vollständig ausgeschöpft werden.
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Dies gelingt in wesentlich besserem Umfang, wenn die Kohlenstoffpartikel insofern oberflächenmodifiziert sind, als sie durch chemische Reaktion an ihrer Oberfläche Gruppen tragen, welche den Charakter der Teilchen bzw. deren Verhalten von hydrophob zu hydrophil verschieben. Solche Modifikationen sind insbesondere durch das Einbringen von OH-Gruppen oder COOH-Gruppen durch gezielte Oxidationsreaktionen möglich. Die erwähnten Gruppen sind in der Lage, mit den OH-Gruppen der Cellulose zu wechselwirken und Wasserstoffbrückenbindungen auszubilden. Dadurch wird eine wesentlich bessere Einbindung in die Cellulosematrix erreicht, und das festigkeitssteigernde Potential der Beimischung kann günstiger ausgenutzt werden.
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Modifikationen der Kohlenstoffspezies durch Einbringung von OH- und COOH-Gruppen sind bereits kommerziell erhältlich, jedoch sind auch andere Gruppen als Oberflächenmodifizierung der genannten Nanopartikel denkbar, die zu einer verbesserten Einbindung in die Cellulosematrix und dadurch erhöhten Festigkeitswerten des entstehenden Werkstoffs führen. Insbesondere sind auch solche Oberflächenmodifikationen denkbar, welche im weiteren entweder während des Prozesses, z. B. im Spinnbad, oder aber durch eine entsprechende Nachbehandlung kovalente Bindungen zur Cellulosematrix ausbilden und dadurch eine weitere Verbesserung der Einbindung und Steigerung der mechanischen Materialeigenschaften, insbesondere der Zugdehnung, bewirken.
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Ein zusätzlicher positiver Nebeneffekt einer hydrophilen Oberflächenmodifikation der nanoskaligen Kohlenstoffpartikel ist deren vereinfachte Dispergierung in wäßrigen Systemen, wodurch bessere Ergebnisse in der Vereinzelung der Partikel erzielt werden, bzw. der maschinelle und energetische Aufwand für eine ausreichende Dispergierung sinkt.
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Ein weiterer wesentlicher Aspekt der hier beschriebenen Erfindung beruht auf der starken Verstreckung der ersponnenen Faser in Kombination mit einer retardierten Koagulation und Regeneration des in Natronlauge gelösten Cellulosexanthogenats. Diese Retardierung des Koagulations- und insbesondere des Regenerationsprozesses, die beispielsweise durch eine Zugabe von Zinksalzen herbeigeführt wird, ist eine bei der Herstellung von hochfesten Viskosefasern übliche Maßnahme. Durch die Verstreckung der frisch regenerierten, aber noch plastischen Cellulosefäden ergibt sich eine Ausrichtung der einzelnen Celluloseketten in der Orientierungsrichtung der hergestellten Faser. Dadurch kommt es zu einer größeren Annäherung der einzelnen Celluloseketten durch deren molekulare Orientierung und einer Steigerung der Kristallinität. Das sich erst dadurch ausbildende Gefüge in der Faser und die bei seiner Entstehung wirksamen Kräfte führen dann zu einer gerichteten Orientierung der anisotropen Zuschlagstoffe. Dadurch kann gewährleistet werden, daß die molekulare Ausrichtung der Celluloseketten und auch der zugesetzten Kohlenstoffnanoteilchen, insbesondere Kohlenstoffnanoröhrchen, weit überwiegend in Faserrichtung ist, d. h. daß die Orientierungsverteilung der Partikelhauptachsen in der Faserrichtung ein Maximum annimmt. Dadurch entstehen Fasern mit besonders ausgeprägt niedriger Zugdehnung.
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Beispielhaft für die Herstellung von Fasern nach dem erfindungsgemäßen Verfahren ist die Bereitung von Viskose aus hochreinem Sulfatzellstoff mit einem alpha-Cellulosegehalt von 97,9% durch Alkalisierung in Natronlauge, Abpressen und Vorreife, Sulfidierung mit CS2 und Lösen in Natronlauge, anschließender Filtration und Entgasung sowie Reife der Viskose, um eine spinnfähige Lösung zu erhalten.
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Diese Viskose wird versetzt mit 0,1% MWCNT, bezogen auf die Masse der Cellulose in der Viskoselösung. Dafür wird die entsprechende Menge MWCNT in einem Ultraschallbad dispergiert und nach erfolgreicher homogener Dispergierung mechanisch in die Spinnmasse eingerührt, bis auch hier wiederum eine homogene Dispersion vorliegt.
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Die so erhaltene MWCNT-haltige Spinnmasse wird über Spinndüsen in ein schwefelsäurehaltiges Spinnbad geleitet und dort koaguliert und regeneriert. Die entstehenden Filamente werden direkt anschließend verstreckt, gewaschen, getrocknet und aufgespult.
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In der folgenden Tabelle werden Meßwerte von MWCNT-verstärkten Viskose-Filamentfasern (Beispiel) angegeben und mit den Eigenschaften einer unverstärkten Viskose-Filamentfaser verglichen. Beide Produkte wurden unter Verwendung derselben Spinnviskose und bei gleichen Spinnbedingungen (u. a. Spinnbadzusammensetzung, Verstreckungsgrad, Trocknungstemperatur etc.) erhalten. Es ist bereits bei einer sehr geringen Zugabe von MWCNT zur Cellulosematrix von nur 0,1% eine Verringerung der Dehnung bei einer Belastung mit 45 N um über 50% gegenüber der Standardviskose feststellbar.
| Bruchlast [N] | Dehnung bei 45 N [%] |
Standardviskose (Filamentverfahren) | 75,6 | 3,6 |
Beispiel, Standard +0,1% MWCNT | 78,9 | 2,3 |
Veränderung Standard: Beispiel [%] | +4,3 | –56,5 |
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Die einzige Zeichnungsfigur zeigt Kraft-Dehnungs-Diagramme für drei verschiedene Faserbeispiele. Die mit ”0% CNT best” bezeichnete kurzgestrichelte Linie betrifft eine Faser ohne einen Zusatz von Kohlenstoffnanopartikeln. Die mit ”0,1% CNT Variante 1” und ”0,1% CNT Variante 2” bezeichnete langgestrichelte bzw. durchgezogene Linie betrifft eine Faser der gleichen Zusammensetzung mit einem Zusatz von 0,1 Gew.-% CNT, wobei lediglich die Eindispergierung in die Spinnmasse auf verschiedene Weise vorgenommen worden ist.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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