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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Unterstützen eines Fahrers eines Kraftfahrzeugs in einer Gegenverkehrssituation sowie ein verfahrensgemäßes Kraftfahrzeug.
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Assistenzsysteme zum Unterstützen eines Fahrers eines Kraftfahrzeugs sind bekannt. Dabei kann es sich beispielsweise um Fahrdynamikregelungen, Bremsassistenzsysteme Spurhalteassistenten und/oder Ähnliches handeln. Diese können in Gefahrensituationen Warnungen an den Fahrer des Kraftfahrzeugs ausgeben und gegebenenfalls eine unterstützende Reaktion auslösen. Dabei kann es sich beispielsweise um ein Ändern von Übertragungsverhalten, im Beispiel eines Bremsassistenten beispielsweise um ein Erhöhen eines zur Verfügung stehenden Bremsdrucks, handeln. Gegebenenfalls können die Assistenzsysteme einen vollautomatischen Eingriff in eine Dynamik des Kraftfahrzeugs durchführen, beispielsweise einen Längsdynamikeingriff in Form einer Teilbremsung und/oder einen Querdynamikeingriff in Form einer Einzelradbremsung und/oder eines Lenkeingriffs. Grundsätzlich sprechen diese Systeme bei jeder Art von Verkehrssituation an und können entsprechend der zugrunde liegenden singulären Wirkprinzipien stabilisierend und/oder unterstützend wirken, also auch bei einer Gegenverkehrssituation. Grundsätzlich sind unterschiedliche Verkehrssituationen bekannt, beispielsweise auftretend während eines Überholvorgangs auf einer zweistreifigen Straße, die bidirektional befahren wird. Dabei kann das Kraftfahrzeug als aktiver Part, also als überholendes Fahrzeug oder als passiver Part, also als entgegenkommendes Fahrzeug in eine gefährliche Situation geraten. Dabei kann es zu einer Überschneidung von Fahrschläuchen der sich entgegenkommenden Kraftfahrzeuge und damit zu einer drohenden Kollision kommen.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein verbessertes Unterstützen eines Kraftfahrzeugs in Gegenverkehrssituationen zu ermöglichen, insbesondere ein situationsspezifisches Unterstützen des Fahrers des Kraftfahrzeugs zu ermöglichen, insbesondere als aktiv überholendes Fahrzeug, insbesondere unter Ausnutzung und/oder Vernetzung in dem Kraftfahrzeug vorhandener Einzelassistenzsysteme.
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Die Aufgabe ist gelöst durch ein Verfahren zum Unterstützen eines Fahrers eines Kraftfahrzeugs bei einem Überholen in einer Gegenverkehrssituation, wobei die Gegenverkehrssituation das Kraftfahrzeug, ein von dem Kraftfahrzeug zu überholendes Überholobjekt und ein dem Kraftfahrzeug und dem Überholobjekt entgegenkommendes Gegenverkehrsobjekt umfasst, mit Ermitteln einer die Gegenverkehrssituation beschreibenden Gegenverkehrssituationsgröße, Erkennen eines kritischen Zustands der Gegenverkehrssituation durch Vergleichen der Gegenverkehrssituationsgröße mit einem Kritikalitätskriterium und Auslösen einer Sicherheitsreaktion zum Deeskalieren des kritischen Zustands der Gegenverkehrssituation, falls das Kritikalitätskriterium erfüllt ist, gelöst. Vorteilhaft kann mittels des Kritikalitätskriteriums ein Vergleich beziehungsweise eine Bewertung der Gegenverkehrssituation erfolgen. Auf dieser Basis kann die Sicherheitsreaktion zum Deeskalieren des kritischen Zustandes ausgelöst werden. Dies kann mittels einer die Gegenverkehrssituationsgröße, insbesondere Sensor- und/oder Steuersignale des KFZ, auswertenden Assistenzvorrichtung erfolgen.
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Bei einer Ausführungsform des Verfahrens ist ein Auslösen einer Warnung als die Sicherheitsreaktion, sobald das Kritikalitätskriterium erfüllt ist, vorgesehen. Vorteilhaft kann der Fahrer sofort gewarnt werden, sobald das Kritikalitätskriterium erfüllt ist. Vorteilhaft kann dies bereits dann geschehen, wenn der Fahrer des Kraftfahrzeugs die Situation noch als nicht gefährlich einschätzt. Es wurde herausgefunden, dass eine überwiegende Anzahl von Fahrern sich aufbauende gefährliche Gegenverkehrssituationen zunächst unterschätzen, so dass vorteilhaft aufgrund der Warnung eine frühere Reaktion des Fahrers erfolgen kann. Dies kann beispielsweise durch fahrerseitiges Einleiten einer Notbremsung und damit ein Abbrechen des Überholvorgangs oder ein Erhöhen einer Beschleunigung und damit ein schnelleres Abschließen des Überholvorgangs erfolgen.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens sind ein Ermitteln, ob eine Fahrerreaktion des Fahrers des Kraftfahrzeugs zum Deaktivieren des kritischen Zustands der Gegenverkehrssituation vorliegt als ein erstes Zusatzkriterium, ein Ermitteln, ob der kritische Zustand der Gegenverkehrssituation länger als ein Vorgabezeitintervall andauert als ein zweites Zusatzkriterium und ein Auslösen eines Eingriffs in eine Dynamik des Kraftfahrzeugs als die Sicherheitsreaktion, nur falls das erste und das zweite Zusatzkriterium erfüllt sind, vorgesehen. Vorteilhaft wird nur dann die Sicherheitsreaktion ausgelöst, wenn die gefährliche Gegenverkehrssituation während des Vorgabezeitintervalls angedauert hat und auch nur dann, wenn der Fahrer des Kraftfahrzeugs selbst darauf reagiert. Vorteilhaft wird eine solche Assistenzfunktion als weniger bevormundend empfunden. Vorteilhaft erhält der Fahrer die Warnung, die er gegebenenfalls ignorieren kann. Falls der Fahrer vor Ablauf des Vorgabezeitintervalls reagiert, bleibt ausreichen Zeit, dass er die Situation selbst meistert. Für den Fall, dass das Vorgabezeitintervall bereits verstrichen ist, ist eine vergleichsweise starke Reaktion, beispielsweise das Auslösen einer maximalen Beschleunigung und/oder einer maximalen Verzögerung notwendig, um die Gegenverkehrssituation noch deeskalieren zu können, also beispielsweise eine drohende Kollision zu vermeiden. Es wurde herausgefunden, dass eine überwiegende Anzahl von Fahrern von Kraftfahrzeugen selbst in Gefahrensituationen die maximalen Möglichkeiten ihres Kraftfahrzeugs nicht ausschöpfen, also beispielsweise nicht mittels einem vollständigen Niedertreten des Gaspedals eine maximale Beschleunigung anfordern und/oder mittels eines starken Niedertretens eines Bremspedals eine maximale Verzögerung anfordern. Außerdem wurde herausgefunden, dass in der Gegenverkehrssituation ein hoher situativer Stress auftritt, der auch zu einem Überreagieren erfolgen kann, beispielsweise in Form eines Verreißens einer Lenkung. Vorteilhaft kann mittels der Sicherheitsreaktion dahingehend unterstützend eingegriffen werden, dass sobald die Fahrerreaktion vorliegt, die erforderliche maximale Verzögerung und/oder maximale Beschleunigung eingeleitet wird und/oder eine Fahrstabilität des Kraftfahrzeugs mittels der Sicherheitsreaktion gewährleistet wird.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens sind ein Ermitteln der Fahrerreaktion als eine Betätigung einer Bremse des Kraftfahrzeugs, ein Durchführen einer Zielbremsung als der Eingriff in die Dynamik, insbesondere mittels Verstärken einer Übertragungsfunktion der Bremse, ein Ermitteln eines Frontprojektionsabstandes zwischen einer Front des Kraftfahrzeuges und dem Überholobjekt, ein Ermitteln, ob der Frontprojektionsabstand einen Frontprojektionsmindestabstand übersteigt als drittes Zusatzkriterium und ein Beenden der Zielbremsung, falls das dritte Zusatzkriterium erfüllt ist, vorgesehen. Vorteilhaft kann im Falle eines Abbrechens des Überholvorgangs initiiert durch die Fahrerreaktion mittels der Zielbremsung sichergestellt werden, dass das Kraftfahrzeug rechtzeitig vor einer drohenden Kollision so weit hinter dem Überholobjekt zurückbleibt, also der Frontprojektionsmindestabstand gegeben ist, dass ein sicheres Wiedereinscheren hinter dem Überholobjekt möglich ist. Dafür kann gegebenenfalls die Zielbremsung in Form einer maximalen Bremsverzögerung stattfinden. Alternativ und/oder zusätzlich kann eine Verstärkung der Übertragungsfunktion der Bremse so eingestellt werden, dass eine ausreichend starke Verzögerung, insbesondere die maximale Verzögerung eintritt. Alternativ und/oder zusätzlich kann die Zielbremsung getriggert durch die Fahrerreaktion rein gesteuert ablaufen, also unabhängig von einer tatsächlichen Betätigung eines Bremspedals der Bremse des Kraftfahrzeugs.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens sind ein Ermitteln der Fahrerreaktion als einen dringenden Beschleunigungswunsch des Fahrers, ein Verstärken einer Übertragungsfunktion eines Fahrpedals des Kraftfahrzeugs als der Eingriff in die Dynamik, ein Ermitteln eines Heckprojektionsabstands zwischen einem Heck des Kraftfahrzeugs und dem Überholobjekt, ein Ermitteln, ob der Heckprojektionsabstand einen Heckprojektionsmindestabstand übersteigt als ein viertes Zusatzkriterium und Beenden des Verstärkens der Übertragungsfunktion des Fahrpedals, falls das vierte Zusatzkriterium erfüllt ist, vorgesehen. Vorteilhaft kann mittels der Fahrerreaktion erkannt werden, dass der Fahrer des Kraftfahrzeugs die Gegenverkehrssituation durch ein möglichst schnelles Beenden des Überholvorgangs deeskalieren möchte. Es wurde herausgefunden, dass selbst in einer solchen gefährlichen Situation, insbesondere aufgrund eines hohen situativen Stresses des Fahrers des Kraftfahrzeugs, dieser häufig nicht die maximale Beschleunigung des Kraftfahrzeugs anfordert, also das Fahrpedal nicht gänzlich niedertritt, insbesondere im Falle eines Automatikgetriebes nicht einen Kick-down auslöst. Vorteilhaft kann der Fahrer dann dahingehend unterstützt werden, dass der dringende Beschleunigungswunsch erkannt wird und auch bei einem nicht gänzlichen Niedertreten eines Fahrpedals die erhöhte, insbesondere maximale Beschleunigung des Kraftfahrzeugs ausgelöst wird, so dass noch vor dem Eintreten der drohenden Kollision der Heckprojektionsmindestabstand erreicht ist und damit ein sicheres Einscheren vor dem Überholobjekt gewährleistet ist.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens ist ein Auslösen einer Querunterstützung des Fahrers als der Eingriff in die Dynamik des Kraftfahrzeugs, falls die Fahrerreaktion ermittelt wurde und falls entweder das dritte oder das vierte Zusatzkriterium erfüllt ist, vorgesehen. Vorteilhaft kann in beiden Fällen des Spurwechselns, also des Einscherens vor oder hinter dem Überholobjekt, eine Querunterstützung des Fahrers erfolgen. Es wurde herausgefunden, dass aufgrund des hohen situativen Stresses einer solchen Gegenverkehrssituation häufig ein Unter- oder Übersteuern, also ein zu starkes oder zu schwaches Drehen eines Lenkrades des Kraftfahrzeugs erfolgt. Dies kann insbesondere aufgrund einer fehlenden Übung und/oder aufgrund des Stresses der Fall sein. Vorteilhaft kann aufgrund der Querunterstützung der Fahrer auf einer fahrdynamisch sicheren und ausreichend gekrümmten Fahrtrajektorie auf die eigene Fahrspur zurückgeführt werden.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens sind ein Ermitteln einer fahrdynamisch stabilen Spurwechseltrajektorie entweder zum Einscheren hinter oder vor dem Überholobjekt und ein Durchführen der ausgelösten Querunterstützung des Fahrers entlang der Spurwechseltrajektorie durch Aufbringen eines Zusatzlenkmoments und/oder Durchführen eines vollautomatischen Lenkeingriffs zum Führen des Kraftfahrzeugs entlang der Spurwechseltrajektorie und/oder Durchführen eines radindividuellen Bremseingriffs zum Führen des Kraftfahrzeugs entlang der Spurwechseltrajektorie vorgesehen. Vorteilhaft kann mittels des Zusatzlenkmoments dem Fahrer des Kraftfahrzeugs auf einfache Art und Weise haptisch vermittelt werden, wo dieser für ein sicheres Wiedereinscheren das Lenkrad hinbewegen muss. Dies kann beispielsweise so empfunden werden, als würde das Kraftfahrzeug entlang einer Rinne, in deren Richtung sich das Lenkrad selbst dreht, empfunden werden. Alternativ und/oder zusätzlich kann ein entsprechendes Drehen des Lenkrades als ein Wunsch des Fahrers eines Wiedereinscherens interpretiert werden, wobei unabhängig von dessen tatsächlicher Lenkbewegung das Führen des Kraftfahrzeugs entlang der fahrdynamisch stabilen Spurwechseltrajektorie erfolgt.
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Bei einer weiteren Ausführungsform des Verfahrens ist vorgesehen, dass die Gegenverkehrssituationsgröße durch Erkennen des Gegenverkehrsobjekts, Ermitteln eines Gegenverkehrsobjektsfahrzustands des Gegenverkehrsobjekts, Ermitteln eines Fahrzustands des Kraftfahrzeugs, Ermitteln eines Überholobjektsfahrzustands des Überholobjekts, Fortschreiben aller Fahrzustände der Gegenverkehrssituation in eine Zukunft, Ermitteln eines Abstands zwischen dem Kraftfahrzeug und dem Gegenverkehrsobjekt, Reduzieren einer bis zu einem Eintreten einer Kollision des Kraftfahrzeugs mit dem Gegenverkehrsobjekt verbleibenden Aufpralleintrittsrestzeit (TTC) in Abhängigkeit des Fortschreibens der Fahrzustände und des Abstands, Prädizieren einer bis zu einem sicheren Abschluss des Überholens verbleibenden Überholrestzeit (TSR) in Abhängigkeit der Fahrzustände, Ermitteln einer Differenz der Aufpralleintrittsrestzeit minus der Überholrestzeit und Ermitteln, ob die Differenz kleiner ist als eine Vorgabedifferenz als das Kritikalitätskriterium. Vorteilhaft kann mittels des Kritikalitätskriteriums auf einfache Art und Weise ermittelt werden, ob ein sicheres Wiedereinscheren bei einem Fortsetzen des Überholvorgangs noch möglich ist. Dabei kann die Vorgabedifferenz beispielsweise null betragen, so dass bei einem Nichterfülltsein des Kritikalitätskriteriums auf jeden Fall mehr Zeit zum Beenden des Überholvorgangs zur Verfügung steht, als bis zur ermittelten drohenden Kollision. Alternativ und/oder zusätzlich kann die Differenz größer als null sein, so dass ein gewisser Sicherheitspuffer vorhanden ist.
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Die Aufgabe wird außerdem bei einem Kraftfahrzeug, eingerichtet, ausgelegt, konstruiert und/oder ausgestattet mit einer Software zum Durchführen eines vorab beschriebenen Verfahrens gelöst. Es ergeben sich die vorab beschriebenen Vorteile.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung, in der – gegebenenfalls unter Bezug auf die Zeichnung – zumindest ein Ausführungsbeispiel im Einzelnen beschrieben ist. Beschriebene und/oder bildlich dargestellte Merkmale bilden für sich oder in beliebiger sinnvoller Kombination den Gegenstand der Erfindung, gegebenenfalls auch unabhängig von den Ansprüchen, und können insbesondere zusätzlich auch Gegenstand einer oder mehrerer separater Erfindung/en sein. Gleiche, ähnliche und/oder funktionsgleiche Teile sind mit gleichen Bezugszeichen versehen.
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Dabei zeigen:
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1 Eine schematische Seitenansicht eines Kraftfahrzeugs mit einer Assistenzvorrichtung zum Unterstützen des Fahrers des Kraftfahrzeugs in einer Gegenverkehrssituation,
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2 eine schematische Ansicht einer Gegenverkehrssituation von oben; und
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3 ein Ablaufdiagramm zum Auslösen einer Sicherheitsreaktion zum Unterstützen des Fahrers des in 1 und 2 gezeigten Kraftfahrzeugs.
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1 zeigt eine schematische Seitenansicht eines Kraftfahrzeugs 1. Das Kraftfahrzeug 1 ist mit einer Assistenzvorrichtung 3 ausgestattet. Die Assistenzvorrichtung 3 kann insbesondere in einer Steuereinheit, insbesondere einer zentralen Steuereinheit 5 implementiert sein. Die Assistenzvorrichtung 3 ist ausgelegt, eingerichtet, konstruiert und/oder programmiert zum Unterstützen eines Fahrers 7 des Kraftfahrzeugs 1. Der Fahrer 7 steuert das Kraftfahrzeug 1 mittels einer Mensch-Maschine-Schnittstelle 9. Die Mensch-Maschine-Schnittstelle 9 des Kraftfahrzeugs 1 weist insbesondere ein Lenkrad 11 zum Eingeben von Lenkbefehlen und damit zum Steuern einer Querdynamik des Kraftfahrzeugs 1 und eine Pedalanlage 13 zum Eingeben eines Verzögerungs- und eines Beschleunigungswunsches, also zum Steuern einer Längsdynamik des Kraftfahrzeugs 1 auf.
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Das Kraftfahrzeug 1 ist mit einer Sensorvorrichtung 15 ausgestattet, mittels der eine um das Kraftfahrzeug 1 herrschende Verkehrssituation, beispielsweise eine Gegenverkehrssituation, erfasst werden kann. Unter einer Gegenverkehrssituation kann insbesondere eine Situation verstanden werden, bei der das Kraftfahrzeug 1 eine bidirektional genutzte mehrspurige, insbesondere zweispurige Straße befährt und dieses als aktiver Part oder passiver Part an einem Überholvorgang beteiligt ist. Vorteilhaft kann mittels der Sensorvorrichtung 15 ein Sensorsignal 17 im Sinne einer Gegenverkehrssituationsgröße, die gegebenenfalls eine Mehrgrößengröße ist, generiert werden, das die Gegenverkehrssituation beschreibt und der Steuereinheit 5 und damit der Assistenzvorrichtung 3 zur Verfügung steht. Alternativ kann die Gegenverkehrssituationsgröße zum Beschreiben der Gegenverkehrssituation zusätzlich Steuer- und/oder Regelgrößen des Kraftfahrzeugs 1 aufweisen. Die Sensorvorrichtung 15 kann unterschiedliche Sensoren, beispielsweise Lidarsensoren, Videokameravorrichtungen, stereometrische Kameravorrichtungen, Laservorrichtungen, Radarvorrichtungen und/oder Ähnliches aufweisen. Das Sensorsignal 17 der Gegenverkehrssituationsgröße kann beispielsweise Abstände, Informationen über räumliche Anordnungen, Winkel, Beschleunigungen, Fahrgeschwindigkeiten, die in der Gegenverkehrssituation auftreten, beschreiben und/oder aufweisen, so dass vorteilhaft mit der Assistenzvorrichtung 3 eine Analyse der Gegenverkehrssituation stattfinden kann.
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Abhängig von der Analyse der Gegenverkehrssituation und damit abhängig von dem Sensorsignal 17 generiert die Assistenzvorrichtung 3 eine Sicherheitsreaktion zum Unterstützen des Fahrers 7 des Kraftfahrzeugs 1. Die Sicherheitsreaktion kann vorteilhaft unterschiedliche Eskalationsstufen aufweisen, insbesondere mit einer Warnung beginnen. Falls die Warnung nicht zu einer entsprechenden Fahrerreaktion des Fahrers 7 führt, kann die Assistenzvorrichtung 3 Eingriffe 19 in eine Dynamik des Kraftfahrzeugs 1, insbesondere eine Längsdynamik und/oder eine Querdynamik, vornehmen. Bei den Eingriffen kann es sich beispielsweise um Bremseingriffe, also beispielsweise eine eingeleitete Teilbremsung, um eine Einzelradbremsung, einen Eingriff in die Lenkung 11, insbesondere einen vollautomatischen Lenkeingriff und/oder ein Aufprägen eines Zusatzlenkmoments, und/oder eine eingeleitete Beschleunigung handeln. Alternativ und/oder zusätzlich kann es sich bei den Eingriffen 19 um eine Veränderung, insbesondere um eine Verstärkung einer Übertragungsfunktion der Mensch-Maschine-Schnittstelle 9 handeln, beispielsweise um eine Verstärkung einer Betätigung der Pedalanlage 13 und/oder des Lenkrades 11.
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Außer dem Kraftfahrzeug 1 ist in 1 ein Überholobjekt 21, das von dem Kraftfahrzeug 1 überholt wird, angedeutet. Dem Überholobjekt 21 kommt in der Gegenverkehrssituation ein in 1 nicht näher dargestelltes und lediglich mittels des Bezugszeichens 23 angedeutetes Gegenverkehrsobjekt entgegen. Bei den Objekten kann es sich um ein beliebiges Fahrzeug, insbesondere ebenfalls ein Kraftfahrzeug, handeln.
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Mittels der Sensorvorrichtung 15 des Kraftfahrzeugs 1 kann eine überholte Länge 25 ermittelt werden. Bei der überholten Länge 25 handelt es sich um die Distanz, die das Kraftfahrzeug 1 bereits während des Überholvorgangs an dem Überholobjekt 21 vorbeigefahren ist.
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2 zeigt eine schematische Ansicht der Gegenverkehrssituation mit dem Kraftfahrzeug, dem Überholobjekt 21 und dem Gegenverkehrsobjekt 23 von oben. Zu erkennen ist in 2 eine Fahrbahn 27 mit einem ersten Fahrstreifen 29 und einem zweiten Fahrstreifen 31. Der erste Fahrstreifen 29 wird von dem Gegenverkehrsobjekt 23 befahren, in Ausrichtung der 2 gesehen, von rechts nach links, was mittels eines Pfeiles angedeutet ist. Das Überholobjekt 21 befährt den zweiten Fahrstreifen 31 der Fahrbahn 27 in entgegengesetzter Richtung, also in Ausrichtung der 2 gesehen, von links nach rechts, was in 2 mittels eines Pfeiles angedeutet ist. Das Kraftfahrzeug 1 fährt in dieselbe Richtung wie das Überholobjekt 21, jedoch mit einer höheren Geschwindigkeit, um dieses zu überholen. Dabei befährt dieses zeitweise auch den ersten Fahrstreifen 29 und kommt dadurch dem Gegenverkehrsobjekt 23 auf dessen erstem Fahrstreifen 29 direkt entgegen. Der Überholvorgang verläuft entlang eines Fahrschlauchs 33 des Kraftfahrzeugs 1. Es ist zu erkennen, dass bei einem nicht rechtzeitigen Abschluss des Überholvorgangs das Gegenverkehrsobjekt 23 den Fahrschlauch 33 des Kraftfahrzeugs 1 kreuzen würde, was mit einer drohenden Kollision gleichbedeutend ist.
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In der Darstellung gemäß der 2 ist der Fahrschlauch 33 so gelegt, dass ein rechtzeitiges Abschließen des Überholvorgangs durch das Kraftfahrzeug 1 ohne Kollision mit dem Gegenverkehrsobjekt 23 möglich ist. Dies ist in 2 dadurch symbolisiert, dass eine bis zu einer Kollision mit dem Gegenverkehrsobjekt 23 verbleibende Aufpralleintrittsrestzeit (TTC) 35 größer ist als eine bis zu einem sicheren Abschluss des Überholens verbleibende Überholrestzeit (TSR) 37. Ferner sind in 2 entsprechende Positionen des Kraftfahrzeugs 1 nach Ablauf der Aufpralleintrittsrestzeit 35 und der Überholrestzeit 37 des Kraftfahrzeugs 1 eingezeichnet. Zum Ablauf der Aufpralleintrittsrestzeit 35 befinden sich das Kraftfahrzeug 1 und das Gegenverkehrsobjekt 23 auf gleicher Höhe. Auf diese Höhe zeigt ein die Aufpralleintrittsrestzeit 35 symbolisierender Pfeil. Auf die Position des Kraftfahrzeugs 1 nach Ablauf der Überholrestzeit 37 zeigt ein diese symbolisierender Pfeil.
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Außerdem ist in 2 ein Heckprojektionsabstand 41 eingezeichnet. Unter dem Heckprojektionsabstand 41 kann ein Abstand zwischen einem Heck des Kraftfahrzeugs 1 und einer Front des Überholobjekts 21, gemessen in einer seitlichen Projektion verstanden werden. In 2 ist zu erkennen, dass der Heckprojektionsabstand 41 positiv ist, so dass von einem ungefährlichen Einscheren des Kraftfahrzeugs 1 vor dem Überholobjekt 21 ausgegangen werden kann.
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3 zeigt einen schematischen Ablauf eines Verfahrens zum Unterstützen des Fahrers 1 des in den 1 und 2 dargestellten Kraftfahrzeugs 1 bei dem Überholen in der in den 1 und 2 dargestellten Gegenverkehrssituation. Zunächst wird mittels der Assistenzvorrichtung 3 durch Auswerfen einer Gegenverkehrssituationsgröße, die insbesondere das Sensorsignals 17 der Sensorvorrichtung 15 und gegebenenfalls weitere Mess-, Steuer-, und/oder Regelsignale aufweisen kann, erkannt, dass eine Überholsituation vorliegt. Dies kann insbesondere dadurch erfolgen, dass erkannt wird, dass sich das Kraftfahrzeug 1 dem Überholobjekt 21 nähert und/oder einen Spurwechsel von dem zweiten Fahrstreifen 31 auf den ersten Fahrstreifen 29 vornimmt und/oder seitlich an diesem vorbeifährt, insbesondere die überholte Länge 27 einen positiven Wert annimmt.
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Die überholte Länge 27 kann ausgehend von einem ermittelten letzten Längsabstand zwischen dem Kraftfahrzeug 1 und dem Überholobjekt 21, einer Relativgeschwindigkeit zwischen dem Kraftfahrzeug 21 und dem Überholobjekt 21 und einer seit einer Ermittlung des Längsabstandes verstrichenen Zeitdauer berechnet werden. Dadurch kann ermittelt werden, wie weit das Kraftfahrzeug 1 zu einem aktuellen Zeitpunkt bereits an dem Überholobjekt 21 vorbeigefahren ist. Es ergibt sich eine Überlappung in einer seitlichen Projektion, aus der die überholte Länge 27 hervorgeht.
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Außerdem wird mittels der Assistenzvorrichtung 3 erkannt, dass sich das Gegenverkehrsobjekt 23 in den Fahrschlauch 33 des Kraftfahrzeugs 1 hineinbewegt oder zumindest sich in Kürze hineinbewegen wird. Dieser Vorgang wird auch Gegenverkehrserkennung genannt. Diese Situation wird hinsichtlich eines Kritikalitätskriteriums 43 bewertet. Hierzu wird eine Differenz 45 aus der Aufpralleintrittsrestzeit 35 minus der Überholrestzeit 37 gebildet. Die Aufpralleintrittsrestzeit 35 und Überholrestzeit 37 können unter Fortschreibung von erkannten Fahrzuständen aller an der Gegenverkehrssituation beteiligten Objekte, also dem Kraftfahrzeug 1, dem Überholobjekt 21 und dem Gegenverkehrsobjekt 23 berechnet werden. Das Kritikalitätskriterium 43 stellt einen Vergleich der Differenz 45 mit einer Vorgabedifferenz dar. Für den Fall, dass die Differenz 45 aus der Aufpralleintrittsrestzeit 35 minus der Überholrestzeit 37 negativ ist, also nicht genügend Zeit zum sichern Abschließen des Überholens verbleibt, erfolgt eine Warnung 47 des Fahrers 7 des Kraftfahrzeugs 1 Andernfalls wird zurückverzweigt in die Differenz 45.
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Ausgehend von einer Annahme, dass sich Fahrzustände des Kraftfahrzeugs 1 und des Überholobjekts 21 nicht ändern, wobei insbesondere Geschwindigkeiten und insbesondere auch Beschleunigungen als konstant angenommen werden, wird die Überholrestzeit 37 präzidiert, die das Kraftfahrzeug 1 voraussichtlich noch benötigen wird, um den in 2 dargestellten Überholvorgang zu beenden, also sicher vor dem überholten Überholobjekt 21 einzuscheren. Die Überholrestzeit 37 ist auch bekannt als TSR = time for safety return.
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Ausgehend von einem Abstand 49 zwischen dem Kraftfahrzeug 1 und dem entgegenkommenden Gegenverkehrsobjekt 23 und unter der Annahme, dass sich die Fahrzustände des Kraftfahrzeugs 1 und des entgegenkommenden Gegenverkehrsobjekts 23 nicht ändern, wobei insbesondere eine Relativgeschwindigkeit als konstant angenommen wird, wird die Aufpralleintrittsrestzeit 35 berechnet, die voraussichtlich bis zum Eintreten der Kollision des Kraftfahrzeugs 1 mit dem entgegenkommenden Gegenverkehrsobjekt 23 verbleibt. Diese ist auch als TTC = time to collision bekannt und kann berechnet werden als ein Quotient aus der Relativgeschwindigkeit durch den Abstand 49.
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Für den Fall, dass das Kritikalitätskriterium 43 erfüllt ist, also beispielsweise die Überholrestzeit 37 die Aufpralleintrittsrestzeit 35 übersteigt, liegt eine kritische Situation vor, denn dann hat da Kraftfahrzeug 1 nicht mehr ausreichend Zeit für ein sicheres Beenden des Überholvorgangs, in diesem Fall kann vorteilhaft die Warnung 47 erfolgen.
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Alternativ und/oder zusätzlich zu der Warnung 47, die Teil einer in 3 mittels eines gepunkteten Rechtecks symbolisierten Sicherheitsreaktion 51 zum Deeskalieren der Gegenverkehrssituation ist, wird ein erstes Zusatzkriterium 53 abgeprüft. Das erste Zusatzkriterium 53 ist gegeben, falls eine Fahrerreaktion des Fahrers 7 des Kraftfahrzeugs 1 zum Deeskalieren der Überholsituation gegeben ist. Dies kann beispielsweise durch Betätigen eines Bremspedals oder eines Fahrpedals der Pedalanlage 13 des Kraftfahrzeugs 1 erfolgen.
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Zusätzlich zu dem ersten Zusatzkriterium 53 wird ein zweites Zusatzkriterium 55 abgeprüft. Dieses besteht darin, ob das Erfülltsein des Kritikalitätskriteriums 43 länger als ein Vorgabezeitintervall vorliegt. Falls dies der Fall ist, erfolgt ein Eingriff 57 in eine Dynamik des Kraftfahrzeugs 1.
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Dies kann beispielsweise für den Fall, dass der Fahrer 7 des Kraftfahrzeugs 1 durch eine Betätigung des Bremspedals den Überholvorgang abbrechen möchte, durch ein Auslösen einer Bremsassistenzfunktion erfolgen. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Zielbremsung handeln, die das Kraftfahrzeug 1, gegebenenfalls möglichst schnell, so weit verzögert, bis die überholte Länge null beträgt oder ein Frontprojektionsabstand einen Frontprojektionsmindestabstand übersteigt. Dies kann durch ein drittes Zusatzkriterium 59 abgefragt werden. Der mittels des dritten Zusatzkriterium mindestens geforderte Frontprojektionsmindestabstand zwischen dem Kraftfahrzeug 1 und dem Überholobjekt 21 ist insbesondere ein Abstand, bei dem man davon ausgehen kann, dass das Kraftfahrzeug 1 mit Sicherheit hinter dem sich zuvor noch seitlich befindenden Überholobjekt 21 wieder einscheren kann, sich also hinter diesem befindet. Durch die Zielbremsung des Eingriffes 57 in die Dynamik des Kraftfahrzeugs 1 wird das Kraftfahrzeug in eine sichere Startposition gebracht, aus der das Kraftfahrzeug 1 durch eine Querbewegung hinter das doch nicht überholte Überholobjekt 21 wieder einscheren kann.
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Vorteilhaft wird der Eingriff 57 in Form der Zielbremsung nur dann ausgelöst, falls das erste Zusatzkriterium 53 erfüllt ist, also die Fahrerreaktion des Fahrers 7 vorliegt. Insofern kann auch von einem Triggern des Eingriffes 57 in die Dynamik des Kraftfahrzeugs 1, ausgelöst durch die Fahrerreaktion des Fahrers 7, also da Betätigen des Bremspedals gesprochen werden. Vorteilhaft kann die Zielbremsung insbesondere unabhängig von einer tatsächlichen Bewegung an dem Bremspedal erfolgen. Alternativ und/oder zusätzlich können Auslöseschwellen eines Bremsassistenten der Assistenzvorrichtung 3 abgesenkt werden.
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Falls das dritte Zusatzkriterium 59 erfüllt ist, kann eine Querunterstützung 61 des Fahrers 7 des Kraftfahrzeugs 1 erfolgen.
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Für den Fall, dass die Fahrerreaktion ein Niedertreten des Fahrpedals der Pedalanlage 13 des Kraftfahrzeugs 1 umfasst, kann der Eingriff 57 in die Dynamik des Kraftfahrzeugs 1 ein Erhöhen beziehungsweise ein Verstärken einer entsprechend angeforderten Beschleunigung beziehungsweise eines Beschleunigungsmoments umfassen. in diesem Fall kann ein viertes Zusatzkriterium 63 abgeprüft werden, das ermittelt, ob der in 2 eingezeichnete Heckprojektionsabstand 41 größer ist als ein Heckprojektionsmindestabstand. Auch in diesem Fall kann die Querunterstützung 61 zum sicheren Einscheren, im Unterscheid vor dem Überholobjekt 21 erfolgen.
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Die Querunterstützung 61 kann entlang einer fahrdynamisch stabilen und kollisionsfreien Trajektorie erfolgen, beispielsweise einer Rückfahrtrajektorie oder einer Einschertrajektorie, die derart bestimmt worden ist, dass eine Querbewegung des Kraftfahrzeugs 1 zu keiner Instabilität führt, das heißt, eine Querbeschleunigung des Kraftfahrzeugs 1 beim Abfahren der Trajektorie entsteht, die auf einen Maximalwert begrenzt ist.
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Die Querunterstützung 61 kann insbesondere durch ein auf eine dem Lenkrad 11 nachgeschaltete Lenkanlage aufgebrachtes Zusatzlenkmoment erfolgen, durch das dem Fahrer das Gefühl vermittelt wird, er würde in einer entlang der Trajektorie verlaufenden Rille fahren. Das heißt bei einem Abweichen von der Trajektorie fühlt der Fahrer 7 des Kraftfahrzeugs 1 einen der Abweichung entgegenwirkenden Widerstand, der mit zunehmender Abweichung größer wird.
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Alternativ und/oder zusätzlich kann die Querunterstützung auch einen Lenkeingriff umfassen, durch den das Kraftfahrzeug 1 vollautomatisch entlang der Trajektorie geführt wird.
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Alternativ und/oder zusätzlich kann die Querunterstützung durch einen oder mehrere radindividuelle Bremseingriffe realisiert werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Kraftfahrzeug
- 3
- Assistenzvorrichtung
- 5
- zentrale Steuereinheit
- 7
- Fahrer
- 9
- Mensch-Maschine-Schnittstelle
- 11
- Lenkrad
- 13
- Pedalanlage
- 15
- Sensorvorrichtung
- 17
- Sensorsignal
- 19
- Eingriffe
- 21
- Überholobjekt
- 23
- Gegenverkehrsobjekt
- 25
- überholte Länge
- 27
- Fahrbahn
- 29
- erster Fahrstreifen
- 31
- zweiter Fahrstreifen
- 33
- Fahrschlauch
- 35
- Aufpralleintrittsrestzeit (TTC)
- 37
- Überholrestzeit (TSR)
- 41
- Heckprojektionsabstand
- 43
- Kritikalitätskriterium
- 45
- Differenz
- 47
- Warnung
- 49
- Abstand
- 51
- Sicherheitsreaktion
- 53
- erstes Zusatzkriterium
- 55
- zweites Zusatzkriterium
- 57
- Eingriff
- 59
- drittes Zusatzkriterium
- 61
- Querunterstützung
- 63
- viertes Zusatzkriterium